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Asylbewerber sollen Leistungen künftig nicht mehr als Bargeld ausgezahlt bekommen. Warum das in NRW nicht nur Zustimmung findet.
Ein Teil der staatlichen Leistungen für Asylbewerber in Deutschland wird künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte bereitgestellt und nicht mehr als Bargeld ausgezahlt. 14 von 16 Bundesländern einigten sich dazu auf gemeinsame Standards für ein Vergabeverfahren, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Wie der hessische Ministerpräsident und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte, gehen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern eigene Wege, wollen die Bezahlkarte aber ebenfalls einführen. Solche Bezahlkarten soll unter anderem Schutzsuchenden die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung in Deutschland an Angehörige und Freunde im Herkunftsland zu überweisen. „Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Land selbst“, teilte Rhein mit.
Die Bezahlkarte ohne Kontobindung sei grundsätzlich in allen Branchen einsetzbar, aber nicht im Ausland. Auch Karte-zu-Karte-Überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland seien nicht vorgesehen. Leistungsberechtigte sollen den Stand ihres eigenen Guthabens einsehen können. „Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich“, sagte der Co-Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). Das minimiere den Verwaltungsaufwand der Kommunen. „Gleichzeitig wollen wir den Menschen mit Bleibeperspektive die Aufnahme einer regulären Arbeit erleichtern, sie sollen möglichst rasch aus dem Transferleistungsbezug herauskommen“, sagte er.
Josefine Paul befürwortet die Karte solange sie unbürokratisch verwendet werden kann
Josefine Paul, Flüchtlingsministerin in NRW, befürwortet die Einführung der Bezahlkarte, schränkt aber ein, dass Kommunen nicht durch neue Bürokratie belastet werden dürfe. „Ziel muss es sein, die Verwaltungen zu entlasten und ein diskriminierungsfreies Verfahren für Geflüchtete zu gewährleisten“, sagte Paul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Auch der Kölner Sozialdezernent Harald Rau hält die Einführung einer Bezahlkarte grundsätzlich für richtig, betont aber auch, dass „kein weiterer Verwaltungsaufwand“ entstehen dürfe. „Die flächendeckende Einführung bedarf noch diverser administrativer Schritte. Wir müssen nun erstmal abwarten, welche Vorgaben das Land NRW zur konkreten Ausgestaltung macht“, sagte Rau dieser Zeitung.
Scharfe Kritik kam unterdessen von Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. „Wir verurteilen die Einführung einer Bezahlkarte. Sie ist nicht nur ein Eingriff gegen das Selbstbestimmungsrecht schutzbedürftiger Personen und Ausdruck einer Diskriminierung, sondern führt zu zahlreichen Nachteilen für Geflüchtete“, sagte Prölß dieser Zeitung. Es bestünde die Gefahr, dass Betroffene von Außenstehenden als Geflüchtete identifiziert und diskriminiert werden. „Es wird sich im Übrigen erneut als Illusion erweisen, dass sich durch die Bezahlkarte die Zahl der Geflüchteten verringern wird“, sagte Prölß.
FDP warnt vor neuem Bürokratiemonster
Marc Lürbke, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Düsseldorf, kritisierte, dass die Landesregierung „vor wenigen Monaten noch unsere Pläne, Bezahlkarten einzuführen, dreist abgelehnt“ habe. „Wir freuen uns über den Sinneswandel. Die grüne Flüchtlingsministerin Josefine Paul darf jetzt bloß kein neues Bürokratiemonster schaffen, mögliche Schlupflöcher für Bargeldauszahlungen müssen konsequent geschlossen werden“, sagte Lürbke dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Auch Serap Güler, Bundestagspolitikerin aus Köln, begrüßte die Entscheidung. „Kommunen sind mit der aktuellen Situation überfordert, auch in Köln. Gleichzeitig nimmt die Akzeptanz der Bevölkerung für die Aufnahme weiterer Geflüchteter zunehmend ab. Deshalb müssen wir jegliche Anreize für eine ungeordnete Migration nach Deutschland senken“, sagte Güler dieser Zeitung.
Kritik an den Plänen der 14 Bundesländer kommt von der Linken in NRW. „Die Umstellung auf Sachleistungen für alle Asylbewerber ist schwer umzusetzen, erzeugt Bürokratie und wird den Personen mit Bleibeperspektive nicht gerecht“, sagte Landesparteivorsitzender Sascha Wagner. „Wer aus Syrien oder Afghanistan vor Verfolgung flieht, macht seine Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, davon nicht abhängig. Eine Politik der Abschreckung, die aus migrationspolitischen Gründen in die Grundrechte Einzelner eingreift, ist verfassungswidrig“, so Wagner weiter.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht stellt ihr neues Projekt "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) vor. Sascha Wagner, Co-Landeschef der Linkspartei in NRW, rechnet damit, dass "nur wenige Hundert" Mitglieder der Partei Wagenknecht folgen werden.
Kreis Wesel. Sascha Wagner, für die Linke im Weseler Kreistag, lehnt es ab, Flüchtlinge nur mit Sachleistungen auszustatten. Was für ihn dagegen spricht.
Zur aktuellen Debatte um die Frage des Umgangs von Migration und Sachleistungen in der Kreispolitik meldet sich der Kreistagsabgeordnete und Kreisverbandssprecher Sascha H. Wagner (Die Linke) zu Wort. Die Umstellung auf Sachleistungen für alle Asylbewerber sei schwer umzusetzen, sie sei bürokratisch und werde den Personen mit Bleibeperspektive nicht gerecht, so Wagner. „Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss ohnehin ein Taschengeld gezahlt werden.“ Das habe auch der Städte- und Gemeindebund festgestellt und zeige, „wie fernab der Realität FDP und CDU im Bund von den kommunalen Herausforderungen sind“.
Er bezweifelt, dass die Umstellung auf Sachleistungen die Zahl der Geflüchteten reduzieren würde. Wer aus Syrien oder Afghanistan vor Verfolgung fliehe, mache seine Entscheidung, nach Deutschland zu kommen davon nicht abhängig. Wagner fordert: „Anstatt im Kleinklein die Frage nach Sachleistungen zu diskutieren, sollten Bund und Land endlich die Fragen von bezahlbarem Wohnraum, Arbeitsmarktintegration und Bildungsinvestitionen und verstärkte Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme aufgelegt werden.“
Der Linkenpolitiker kritisiert, dass sich heute die Politik der Schuldenbremse in Land und Bund massiv räche, beispielsweise dass die landeseigenen Wohnungen seinerzeit „verscheuert“ worden seien und der öffentlichen Hand entzogen worden sind. Es räche sich, dass in vielen Schulen zu wenig Lehrpersonal, Integrationskräfte und Sozialarbeiter vorhanden sind, ebenso wie es an Erzieherinnen und Pflegepersonal mangele. Das alles seien hausgemachte Probleme.
Eine Frage der Menschenwürde, die es zu schützen gilt
Die Staatsmacht denke nicht daran, die Lebensverhältnisse von Geflüchteten und Asylsuchenden zu verändern. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz hat einst festgestellt, dass eine Politik der Abschreckung, das heißt eine Politik, die aus migrationspolitischen Gründen in die Grundrechte Einzelner eingreift, verfassungswidrig ist“, so Wagner. Er erinnert an Artikel 1 des Grundgesetzes, der den Staat dazu verpflichte, die Menschenwürde jedes Einzelnen zu schützen. „Daher sind Geflüchtete Menschen den anderen hier Lebenden endlich gleichzustellen.“
Kreis Wesel. Seit dem Landesparteitag ist Sascha Wagner, führender Linker im Kreis Wesel, auch an der Spitze in NRW. Wie er die heikle Aufgabe meistern will.
Am vergangenen Wochenende hat Die Linke NRW auf ihrem Parteitag in Kamen ein neues Führungsduo gewählt: Kathrin Vogler und der Dinslakener Sascha Wagner, Fraktionschef der Linkspartei im Kreistag Wesel, führen die Partei in NRW an. Susanne Zimmermann und Tobias Kaluza haben dem 42-Jährigen einige Fragen zu seiner neuen Aufgabe gestellt.
Herr Wagner, Sie haben sich sehenden Auges um eine Aufgabe beworben, um die sich die Parteigenossen angesichts der desolaten Lage der Linkspartei nicht gerissen haben. Warum?
Das ist eine schöne Frage. Ich habe mich beworben, weil ich die Notwendigkeit sehe, in einer solchen Situation Verantwortung zu übernehmen und die verschiedenen Strömungsansätze zusammenzuführen. Ich kenne den Landesverband ja sehr gut aus meiner achtjährigen Zeit als Landesgeschäftsführer, da hat man eine gewisse Bindung an eine Organisation.
Die Linke ist gespalten. Der Wagenknecht-Flügel, der öffentlich oft als populistisch wahrgenommen wird, und der moderate Flügel stehen einander gegenüber. Wagenknecht war bei der letzten Bundestagswahl Spitzenkandidatin in NRW, daher fällt dem Landesverband bei diesen Flügeldebatten eine zentrale Rolle zu. Wagenknecht fiel auch Monate nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine mit Forderungen zur Öffnung von Nord Stream 2 auf. Welchem der Flügel ordnen Sie sich zu?
Ich teile nicht jede Äußerung von Sahra Wagenknecht, die eine unserer Bundestagsabgeordneten aus NRW ist. Für mich sind die Beschlüsse der Partei bindend. Der neue Vorstand hat gleichwohl die Aufgabe, die unterschiedlichen Einschätzungen zusammenzubringen. Die Beschlusslagen zu den von Ihnen gestellten Fragen wurden in Erfurt auf dem Bundesparteitag sehr deutlich gefasst.
Dann möchten Sie sich keinem Flügel zuordnen lassen?
Als Co-Sprecher der Linkspartei NRW habe ich eine andere Rolle. Ich selbst komme aus der antikapitalistischen Linken, es gibt weitaus mehr als nur die beiden bekannteren Strömungen in der Linken. Aber unsere Aufgabe als Landesvorstand ist es nun, eine Strategie zu finden, um die Partei im Inneren zusammenzuführen und dadurch mehr Rückhalt in der Bevölkerung zu bekommen.
… und Nordstream 2?
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat nochmals die Dringlichkeit des Ausstiegs aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas deutlich gemacht. Dennoch werden jetzt Stimmen laut, die statt auf Erneuerbare Energien weiter auf Kohle und Atom setzen. Als Linke sagen wir: Hundertprozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien bis 2035 ist notwendig und machbar. Unsere Perspektive einer regionalen Energiewende in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand ist der beste Weg dahin. Privatisierte Energieunternehmen, die von der Preistreiberei auf den fossilen Energiemärkten profitieren, wollen wir rekommunalisieren und in neue demokratisch verwaltete, kommunale Unternehmen überführen, die die Energie- und Wärmewende vorantreiben.
Nach der Wahl zum Landesvorsitz haben Sie im NRZ-Gespräch gesagt, dass Sie in die Partei, in die Basis hineinhorchen wollen und für mehr Transparenz stehen. Sie haben vor der Wahl gesagt, Stichwort Heizung, Brot, Frieden und Klima, dass jetzt nicht die Zeit für Die Linke sei, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Bleibt der Linkspartei NRW bei all den innerparteilichen Hürden Luft, sich um die Nöte der Menschen zu kümmern?
Es ist ein klares Signal zu diesen Fragen aus dem Landesparteitag hervorgegangen. Fast einstimmig ist der Leitantrag beschlossen worden: Inhaltliche Fragen und ihre Analyse sind unstrittig, Differenzen gibt es eher in parteiinternen und strategischen Fragen. Hinzu kommt das Dilemma auf der Bundesebene. Wir müssen beide Bereiche getrennt und sachlich betrachten und differenziert angehen. Das heißt: Das eine tun ohne das andere zu lassen, uns an der Basis organisieren und die sozialen Themen angehen.
Wo sehen Sie Die Linke NRW bei der Landtagswahl im Frühjahr 2027?
Soweit denke ich noch nicht. Wir sind für zwei Jahre gewählt, werden in dieser Zeit die Europawahlen vorbereiten und uns reorganisieren. Es ist unsere Aufgabe, die schwarz-grüne Landesregierung anzugreifen mit den Schwerpunkten: Erhalt von Lützerath, bessere Kita-Betreuung, kostenlose Bildung, kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas. Und mit der Frage, wie durch die Energiekrise kommen? Es darf keine Energiesperrungen in den Kommunen geben.
Kreis Wesel. Seit Samstag ist der Fraktionschef der Linken im Kreistag Wesel auch Sprecher seiner zerstrittenen Landespartei. Wie er die Aufgabe jetzt angeht.
Sascha Wagner, Fraktionschef der Linkspartei im Kreistag, ist auf dem Landesparteitag in Kamen zum Sprecher der Linkspartei in NRW gewählt worden. Der Dinslakener übernimmt somit gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler den Landesvorsitz einer aktuell zutiefst gespaltenen Partei, wie sich auch in Kamen wieder gezeigt hat.
In die Partei hineinhorchen
„Dass es eine schwierige Aufgabe wird, war mir bewusst. Wir müssen damit jetzt konstruktiv umgehen“, sagt Wagner auf Anfrage. Der 42-Jährige setzt offenbar auf intensiven Dialog im Inneren. „Wir werden die 53 Kreisverbände besuchen und ins Gespräch kommen, in die Partei hineinhorchen und erfahren, was die Basis will.“ Viele politische Fragestellungen seien bislang nicht richtig ausdiskutiert. Die Linke NRW solle jetzt stärkere regionale Strukturen aufbauen, der Landesvorstand transparenter arbeiten.
Über seine Co-Sprecherin Kathrin Vogler, Die Linke hat traditionell eine männlich/weibliche Doppelspitze, sei Wagner froh. Er verstehe sich seit vielen Jahren gut mit der Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Steinfurth. „Meinen Fraktionsvorsitz im Kreistag werde ich weiter ausfüllen, daran ändert sich nichts.“, so Wagner.
Kreis Wesel. In schweren Zeiten für Die Linke bewirbt sich der Sprecher des Kreisverbands, Wesel Sascha, für den NRW-Landesvorsitz. Am Wochenende wird gewählt.
Wenn am Wochenende die NRW-Linke ihren Landesparteitag in Kamen abhält, stehen auch Vorstandswahlen in schwierigen Zeiten für die Partei an. Für den männlichen Part des Landesvorsitzes – Die Linke wird von einem Duo geleitet – kandidiert der Kreis-Weseler Sprecher Sascha Wagner, Fraktionschef der Linken im Kreistag. Sein Mitbewerber ist der Langenfelder Mehmet Sencan.
Welche Ziele verfolgt der Dinslakener an der Landesspitze der Linken? „Wir müssen die Partei wieder stabilisieren nach dem desaströsen Ergebnis von 2,1 Prozent bei den Landtagswahlen im Mai“, sagt Wagner auf Anfrage. „2017 sind wir mit 4,9 Prozent nur knapp an einem Einzug in den Landtag gescheitert. Heute leiden wir unter den Auseinandersetzungen auf der Bundesebene.“
„Heizung, Brot und Frieden - das bewegt die Menschen“
NRW als größter Landesverband müsse nun Ruhe einkehren lassen und sich mit den Kernthemen befassen. „Heizung, Brot und Frieden – das bewegt die Menschen. Da können wir uns nicht mit uns selbst befassen“, sagt der 42-Jährige. Auch das Thema Klima spielt bei den Linken eine zunehmende Rolle: „Nach Lützerath ist klar geworden, dass man sich auf die Grünen nicht verlassen kann“, sagt Wagner. Die Linke wolle nun das Gesicht der Klimabewegung in NRW werden.
Landessprecher treten nicht zur Wiederwahl an: "Pluralismus unmöglich"
Nach nicht mal einem Jahr will Jules El-Khatib nicht mehr Sprecher der Linken in Nordrhein-Westfalen sein. Beim Parteitag am übernächsten Wochenende in Kamen tritt er nicht mehr für den Posten an. Das gleiche gilt auch für Landessprecherin Nina Eumann und mehrere weitere Mitglieder des Landesvorstands. 13 von ihnen, unter anderem alle vier stellvertretenden Landessprecher*innen und der Landesgeschäftsführer, haben eine Erklärung verfasst, in der sie der Bundesspitze vorwerfen, die Probleme der Partei nicht aufzuarbeiten. Der Partei insgesamt attestieren sie eine „selbstzerstörerische Streitkultur». Innerparteiliche Auseinandersetzungen würden durch mediale Denunziationen und öffentliche Vorverurteilungen geführt. Der Pluralismus in der Partei sei in Gefahr, die Linke drohe auseinanderzubrechen.
Der bisherige Landessprecher Jules El-Khatib erklärt im Gespräch mit dem „nd», dass er versucht habe, eine Landesspitze zu bilden, die „für Pluralismus und die Einheit der Partei steht.» Derzeit, auch das gehöre zu den Gründen, wieso er nicht wieder antrete, mache er sich „ernsthafte Sorgen, dass die Konflikte immer weiter zunehmen». Er selbst habe eine klare politische Haltung, trotzdem sei er immer bemüht gewesen, verschiedene Strömungen und Denkansätze miteinander zu vereinen. Dass es jetzt immer mehr Aufrufe zur Spaltung gibt, findet El-Khatib „sehr schockierend». In einer Situation, in der die AfD bei 15 Prozent liegt, sei es „fatal», wenn sich Die Linke in kleinere Teile aufspaltet. Die Linke müsse sich zusammenreißen und „gemeinsam kämpfen», dann habe sie ein großes Potenzial. Seinen Nachfolger*innen im Landesvorstand wünscht El-Khatib ein „glückliches Händchen», wenn es darum geht, Menschen zusammenzuführen.
Der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von El-Khatibs Posten als Landessprecher ist Sascha H. Wagner. Der 42-Jährige war von 2012 bis 2020 Landesgeschäftsführer der NRW-Linken. Als Wahlkampfleiter verantwortete er den Landtagswahlkampf 2017, bei dem der Partei nur wenige tausend Stimmen für den Einzug in den Landtag fehlten. Die 2,1 Prozent bei der Landtagswahl in diesem Frühjahr bezeichnet Wagner als „desaströs». Der Absturz sei nicht wirklich aufgearbeitet worden; die Schuld nur im Bundestrend zu suchen, greife zu kurz. Die nordrhein-westfälische Linke müsse als mitgliederstärkster Landesverband „selbst schauen, welche Entscheidungen wir fällen, und was wir dazu beitragen können, wieder stärker zu werden».
Eine Möglichkeit für die Stärkung der Partei sieht Wagner in der Verstärkung der lokalen Arbeit. Man müsse als Landesverband „gemeinsame Kampagnenschwerpunkte herausarbeiten» und sich dann vor Ort „massiver einbringen» als je zuvor. Politische Leerstellen für Die Linke sieht Wagner genug. So plädiert er dafür, „gemeinsam mit der Klimagerechtigkeitsbewegung für den Erhalt von Lützerath zu kämpfen». Auch die klassischen Themen der Partei sind für Wagner wichtig. Im Zuge der Krise nehme die Armut zu: „Die Schlangen bei den Tafeln werden immer länger», erklärt Wagner. Von der Ampel im Bund und Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen gebe es keine ausreichenden Antworten auf die wachsende Armut.
Innerparteilich will Wagner, der Mitglied der Antikapitalistischen Linken und der Bewegungslinken ist, sich dafür einsetzen, dass Debatten zukünftig konstruktiver und nicht als reiner Strömungsstreit geführt werden. Gemeinsam mit Genoss*innen, die teilweise auch für den Landesvorstand kandidieren, hat er ein Zehn-Punkte-Papier verfasst. Kernaussage: Es ist nicht die Zeit, die Partei aufzugeben. Mit mehr Transparenz, Dialog und Zusammenarbeit hat die Partei eine Chance. Wagner ist wichtig, dass „der Erneuerungsprozess auf allen Ebenen diskutiert wird und nicht als Projekt von oben wahrgenommen wird».
Mit wem zusammen Wagner die NRW-Linke führen könnte, ist unterdessen noch unklar. Eine Kandidatin für die Doppelspitze gibt es noch nicht. Allgemein ist auffällig: Während der Landesvorstand derzeit 22 Mitglieder hat, gibt es bisher nur wenige Kandidaturen für den Landesvorstand. Viele Linke in Nordrhein-Westfalen erzählen, dass es ihnen derzeit an Motivation fehlt, sich stark für die Partei zu engagieren. Besonders augenfällig: Unter den Kandidierenden finden sich bislang lediglich fünf Frauen.
Das könnte auch mit Sexismus in der Partei zu tun haben. In den vergangenen Jahren haben sich aus der nordrhein-westfälischen Linken mehrere Frauen zurückgezogen und ihren Rückzug auch mit dem Umgang mit ihnen begründet. In gleich zwei Anträgen wollen Parteimitglieder dafür sorgen, dass sich das ändert. Ein langer Antrag mit dem Titel „Für einen antisexistischen Konsens» umreißt den Zustand in der Partei und macht Vorschläge, wie dieser geändert werden kann. Ein jährlicher Gleichstellungsbericht, Reflexion und ein umfassender Werkzeugkasten sollen dabei helfen, den Sexismus zurückzudrängen. In einem Antrag des Frauennetzwerks Lisa wird gefordert, die Parteimitglieder mit einer Antisexismus-Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung auszustatten und Mandatsträger*innen sowie Vorstände zu Seminaren zu verpflichten, die zum Thema Sexismus sensibilisieren. Dieser Antrag wird von mehreren Delegierten abgelehnt. Die Verpflichtung sei satzungswidrig und würde auch Menschen betreffen, die für aussichtslose Mandate kandidieren. Ein Pflichtseminar könne die Gewinnung solcher Kandidat*innen „massiv erschweren».
Liebe Genoss:innen,
die Unzufriedenheit mit der Entwicklung der (Landes-)Partei treibt viele Genoss:innen um. Daher werbe ich für einen solidarischen Umgang und einen innerparteilichen Politikwechsel, der von Transparenz und Teilhabe gezeichnet sein soll. Wir brauchen DIE LINKE. NRW als Mitglieder- und Mitmachpartei.
Das desaströse Landtagswahlergebnis von 2,1% kann uns alle nicht zufriedenstellen. Dabei hilft es nicht die Schuld allein auf schlechte Umfragewerte im Bund zu verweisen. Wir alle im Landesverband NRW tragen hierfür eine Mitverantwortung, der wir uns künftig besser stellen müssen! Dabei sollten wir kollektiv aus Fehlern lernen und miteinander um bessere Politikansätzen und Lösungen ringen.
Wir dürfen unsere Partei nicht aufgeben, sondern müssen gemeinsam antreten, um dem Landesverband wieder eine ernstzunehmende Perspektive zu geben, politisch handlungsfähig zu werden und in einem kräftezehrenden Prozess ein weiteres Absacken bei Umfragewerten und politischer Relevanz zu verhindern. Dafür brauchen wir Euch, Eure Ideen und Eure Kraft, denn nur gemeinsam mit der Parteibasis werden wir Erfolge erzielen. Damit Ihr vor der Wahl wisst, was ich Euch anbiete, verweise ich an dieser Stelle auf ein Arbeitspapier, das ich gemeinsam mit Genoss:innen aus den verschiedenen Spektren der Partei geschrieben habe, welches die Grundlage unseres Selbstverständnisses für die Arbeit in einem kollektiven Landesvorstand sein soll. Dabei beachten wir natürlich die Beschlüsse der Bundes- und Landespartei.
Unser Landesverband liegt mir allein schon durch meine achtjährige Tätigkeit als Landesgeschäftsführer der NRW-LINKEN (2012-2020) sehr am Herzen. Damals rappelten wir uns nach einer ähnlichen Landtagswahlschlappe von 2,49 % auf immerhin 4,99 % -gemeinsam in einem langwierigen Prozess - gemeinsam auf. Das muss uns in Anbetracht der aktuellen Krisen erneut gelingen. Wir haben die Pflicht und die Verantwortung für die Menschen die von Armut und Abstiegsängsten bedroht sind politisch zu vertreten und im besten Falle mit ihnen gemeinsam Strategien für einen Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen zu entwickeln.
Die Schwarz-Grüne Landesregierung bereitet uns doch im Grunde den besten Boden dafür: Wohnungsnot, Lützerath, Lehrer:innenmangel, steigende (Kinder-)Armutsquoten in den Quartieren, mangelnder Ausbau regenerativer Energien usw. usw. . Der Zukunftsvertrag der Landesregierung ist voll von Prosa und Prüfaufträgen und gibt keine Antworten auf die wichtigen Fragen der Zeit. Hier braucht es eine geeinte und starke LINKE!
In diesem Sinne will ich für Euch arbeiten und bitte um Eure Unterstützung auf dem Landesparteitag!
Mit solidarischen Grüßen
Euer
Sascha H. Wagner
Meine Vita und weitere Informationen findet Ihr unterhttps://wagner.dielinke-nrw.de/ueber-mich/vita/ |
Für einen Politikwechsel im Landesverband NRW
10 Punkte für ein alternatives Arbeitsprogramm des neuen Landesvorstandes der NRW-LINKEN
Bianca Austin, KV Steinfurt; Edith Bartelmus-Scholich, KV Krefeld; Helmut Born, KV Düsseldorf; Patrick Gawliczek, KV Herne; Dominik Goertz, KV Bielefeld; Thomas Hovestadt, KV Köln; Jan Köstering, KV Oberberg; Sebastian Merkens, KV Mönchengladbach; Sefika Minte, KV Oberhausen; Ida Paul, KV Bochum; Marc Scheffler, KV Mülheim an der Ruhr; Judith Serwaty, KV Rhein-Sieg; Ulrich Thoden, KV Münster; Henning von Stoltzenberg, KV Oberhausen; Sönke Voigt, KV Köln; Sascha H. Wagner, KV Wesel
Warum ein Arbeitsprogramm?
Die Unzufriedenheit mit der Entwicklung der (Landes-)Partei treibt viele Genoss:innen um. Mit diesem Arbeitspapier wollen wir als Kandidat:innen transparent machen welche Vorhaben wir in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen und worauf wir uns verpflichten. Wir stehen dabei für einen solidarischen Umgang und einen innerparteilichen Politikwechsel, der von Transparenz und Teilhabe gezeichnet sein soll. Wir sehen DIE LINKE. NRW als Mitglieder- und Mitmachpartei an.
Das desaströse Landtagswahlergebnis von 2,1% kann uns alle nicht zufriedenstellen. Dabei hilft es nicht die Schuld allein auf schlechte Umfragewerte im Bund zu verweisen. Wir alle im Landesverband NRW tragen hierfür eine Mitverantwortung, der wir uns künftig besserstellen müssen! Dabei wollen wir kollektiv aus Fehlern lernen und miteinander um bessere Politikansätzen und Lösungen ringen. Ebenso stehen wir ganz bewusst für eine feministische und queere Perspektive im größten Landesverband. Die jüngsten #metoo-Ereignisse, aber auch der seit Jahren von Frauenstrukturen angeprangerte verfehlte Anspruch eine "feministische Partei" zu sein, beschämen uns. Daher wollen wir dafür Sorge tragen, dass die Initiativen vom Frauennetzwerk und von LISA zum besseren Umgang mit Sexismusvorfällen ebenso Bestandteil der Arbeit des Landesvorstandes sind, wie die Fragen der politischen Bildung oder der Parteientwicklung.
Die Folgen der Wirtschaftskrise und des Krieges um die Ukraine und die weltweite Klimazerstörung machen auch vor NRW nicht halt. Krieg ist der größte Klimakiller und zusätzlich wird von der Bundesregierung in klimaschädliche Kohle und LNG-Gas investiert statt in einen Umstieg auf erneuerbare Energien. Kernkraftwerke sollen trotz aller Sicherheitsmängel länger laufen. Bereits vor dem Krieg und den rasant steigenden Preisen für Energie und Lebensmitteln war die Armutsgefährdungsquote in NRW auf 18,7 Prozent angestiegen. Inzwischen vervielfachen sich die Preise für Strom und Gas und ein Ende ist nicht in Sicht. Immer mehr Menschen können sich Wohnung bzw. Heizung und Lebensmittel nicht mehr leisten. Gleichzeitig machen Konzerne wie RWE & Co. Rekordprofite. Wir erleben eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. In NRW heizen 64,4 Prozent der Haushalte mit Gas. Energiesperren, Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit bedrohen immer mehr Menschen, zumal Wohnungen schon vor der Krise knapp und teuer waren. Die Folge wird ein Abstieg von Millionen Menschen sein. Hier ist es die Aufgabe der Partei DIE LINKE den Menschen bei Ihren täglichen Sorgen zu helfen und mit Ihnen gegen sozialen Abstieg, Armut und Not zu kämpfen - für eine andere Gesellschaft und ein gutes Leben für Alle. Die kommenden Tarifauseinandersetzungen in der Metallindustrie und im öffentlichen Dienst werden ohne Streiks und eine breite Unterstützung der Gesellschaft nicht die dringend benötigen Lohnerhöhungen erreichen. Es ist mehr denn je an der Zeit, die Kämpfe zu verbinden, um den herrschenden eine gesellschaftliche Kraft entgegenzustellen. Es muss gelingen die Kämpfe für einen Inflationsausgleich mit den Kämpfen gegen Krieg, Aufrüstung und Klimazerstörung zu verbinden. Ein 100-Mrd.Programm wird dringend für Gesundheit, Soziales, Bildung und Klimaschutz statt für Aufrüstung benötigt. Energie- und Rüstungskonzerne aus NRW verdienen Milliarden an Krise und Krieg. Nicht nur NRW-Konzerne müssen endlich wieder Vermögenssteuer bezahlen. Und Energiekonzerne sollen vergesellschaftet werden, um die Versorgung mit erneuerbaren Energien sicher zu stellen und zwar zu bezahlbaren Preisen. Zusätzlich verschärfen sich Probleme, die NRW schon seit Jahren beschäftigen. In den Schulen fehlen rund 4400 Lehrkräfte, die Gebäude sind marode. In den Kitas sieht es genauso aus. Bis 2030 fehlen in NRW 64000 Fachkräfte für frühkindliche Bildung.
Neonazis und AFD sind weiterhin Thema in NRW. In einzelnen Hotspots kämpfen Antifaschist*innen tagtäglich gegen Faschisten. Die AFD in NRW ist dem sogenannten "Flügel" innerhalb der AFD zugeneigt, die kaum noch von Neonazis herkömmlichen Stils unterscheidbar sind. Eine LINKE in NRW positioniert sich gegen jede Form von Rassismus, Faschismus, Post-Faschismus und zeigt auf der Straße und in den lokalen Strukturen: Kein Fußbreit den Faschisten!
Wir geben unsere Partei nicht auf, sondern treten gemeinsam an, um dem Landesverband wieder eine ernstzunehmende Perspektive zu geben, politisch handlungsfähig zu werden und in einem kräftezehrenden Prozess ein weiteres Absacken bei Umfragewerten und politischer Relevanz zu verhindern. Dafür brauchen wir Euch, Eure Ideen und Eure Kraft, denn nur gemeinsam mit der Parteibasis werden wir Erfolge erzielen. Damit Ihr vor der Wahl wisst, was wir Euch anbieten, stellen wir hier unser Arbeitsprogramm vor, das die Grundlage unseres Selbstverständnisses sein soll. Dabei beachten wir natürlich die Beschlüsse der Bundes- und Landespartei:
1. Spaltung verhindern – Mitglieder an DIE LINKE. NRW binden!
DIE LINKE. NRW ist weiterhin tief gespalten. Viele Mitglieder, die einst aktiv waren, haben sich frustriert zurückgezogen, viele müde ob der ewigen Auseinandersetzung zwischen Partei und Bundestagsfraktion. Dieser weitgreifenden Spaltung wollen wir geschlossen entgegenwirken, indem wir zu strittigen Fragen die politische Debatte organisieren, statt sie zu verhindern. Dafür greifen wir auch auf technische Möglichkeiten wie Onlinekonferenzen zurück und entwickeln regelmäßige Debattenformate und Veranstaltungen mit den jeweiligen fachpolitischen Sprecher:innen des Landesvorstands ohne dabei in Konkurrenz zueinander zu treten. Wir wollen den Landesverband kollektiv stärken und solidarisch im Umgang auch bei strittigen Fragen den Ton wahren. Schmutzkampagnen via sozialer Netzwerke werden wir uns nicht zu eigen machen. Denn auch eine LINKE, die intern kontrovers diskutiert, kann gestärkt nach Außen auftreten!
Wir werden nicht die Kreisverbände untereinander "aufteilen" um einen möglichst großen Strömungseinfluss zu gewinnen, sondern setzen bei Konflikten in Gremien und Fraktionen auf professionelle (externe) Unterstützung, Mediationsverfahren und geordnete, transparente Verfahren die durch die Landesgeschäftsstelle organisiert und begleitet werden.
Der Jugendverband hat erstmals in der Geschichte nach den jüngsten #metoo-Ereignissen und anderer Vorkommnisse diskutiert für den neuen Landesvorstand keineN jugendpolitischeN Sprecher:in zu benennen. Dieser Entwicklung wollen wir entgegentreten, indem wir wieder für mehr Vertrauen beim Jugendverband werben und durch unsere Praxis zeigen, dass es sich lohnt auf der Landesebene mitzuwirken. Wir teilen den Anspruch des Jugendverbands, dass die Gremien des Landesverbands sichere Räume auch für junge Genossinnen sein müssen. Zur konkreten Verbesserung wollen wir regelmäßige Austauschformate zwischen dem geschäftsführenden Landesvorstand und dem Landessprecher:innenrat des Jugendverbandes, aber auch dem Studierendenverband SDS initiieren.
2. Finanzielle Basis für den Landesverband sichern
Die Landesebene setzt sich aus unseren 53 Kreisverbänden zusammen. Das heißt, wir sind solidarisch mit der Landesebene und werden die professionelle Arbeitsweise der Landesgeschäftsstelle zu sichern. Wir setzen weiterhin auf die Beitragsverteilung der Mitgliedsbeiträge von 80:20 um die Landesebene und die Geschäftsstelle perspektivisch sicher ausfinanzieren zu können. Die Landesgeschäftsstelle wird für technische Herausforderungen wie Hybridsitzungen und dergleichen modernisiert und wieder für einladende Tagungen von Gliederungen und Arbeitsgemeinschaften nutzbar gemacht.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Vereinbarungen zwischen Mandatsträger:innen und dem Landesverband im Sinne des Landesparteitagsbeschlusses gestärkt und umgesetzt werden. Wir entwickeln einen regionalen Entwicklungsplan für die Frage von Büroverteilungen und werden die Bundestagsabgeordneten und andere Ressourcenstellen dazu anhalten, Stellenangebote künftig wieder ordentlich und transparent auszuschreiben und verlangen von jedem/jeder Mandatsträger:in Auskunft über Beschäftigungsverhältnisse.
3. Parteientwicklung vorantreiben und wiederbeleben!
Ein Landesverband mit circa 8.000 Mitgliedern bedarf einer guten und ressourcenschonenden Mitgliederverwaltung. Dabei setzen wir auf "Begrüßungspakete" für Neumitglieder, die dem Neumitglied den Einstieg in unsere Mitte erleichtert. Wir geben den Kreisvorständen wieder regelmäßige Statistiken zur Mitgliederentwicklung und bieten ihnen an, gemeinsam an über Fragen der Parteientwicklung miteinander ins Gespräch zu kommen um "Drehtüreffekte" und dergleichen zu verhindern. Zur Unterstützung bieten wir Neumitgliedertreffen auf Landesebene an, denn nicht jeder Kreisverband hat die Ressourcen dafür. Dafür setzen wir einen LAK-Parteientwicklung ein, indem wir auch die Strömungen in die Pflicht nehmen an einem solchen Prozess konstruktiv im Rahmen von Bildungsveranstaltungen mitzuwirken. Das schärft die eigene Positionsfindung und kritische Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragestellungen.
Wir wollen die Bildungsarbeit verstetigen und ausbauen!
Dazu gehört für uns ein regelmäßiger Austausch der Bildungsträger: innen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, dem kommunalpolitisches Forum NRW, dem Landesarbeitskreis politische Bildung, sowie der Bundestags-Landesgruppe, zur besseren Koordinierung von Veranstaltungen und Kampagnenschwerpunkten, um zielgerichtet am gleichen Strang ziehen zu können.
Wir möchten Konzepte zur Regionalisierung der Landespartei vorantreiben!
Die Regionalisierung ist seit Jahren Thema in diesem Landesverband, aber nie ernsthaft in den Blick der Parteientwicklung genommen worden. Im Frühjahr 2023 leiten wir daher einen Prozess ein der Vor- und Nachteile offen beleuchtet, Fragestellungen einer Regionalisierung erfasst und konkrete Vorschläge zu einer operativen Organisationsverbesserung erstellt. Das Ergebnis legen wir zu einem Zwischenbericht dem Landesrat und letztlich dem Landesparteitag Anfang 2024 zur Beschlussfassung vor.
Wir wollen DIE LINKE im ländlichen Raum stärken
60% der Bevölkerung lebt in NRW im ländlichen Raum. Die Herausforderungen für unsere Partei stellen sich hier anders dar als in Städten. Wir werden gemeinsam mit den dort tätigen Kreisverbänden und dem LAK Ländlicher Raum praxistaugliche Konzepte für eine erfolgreiche Arbeit entwerfen und die Kreisverbände bei deren Umsetzung unterstützen.
Wir möchten Verankerung schaffen
Wir werden gemeinsam mit den Kreisverbänden ein Konzept entwickeln, mit dem perspektivisch unsere Verankerung in Betrieben und Gewerkschaften, in Quartieren und "neuen sozialen Bewegungen" gestärkt werden soll. Das Konzept soll in eine gemeinsame Praxis münden. Die aktiven Mitglieder vor Ort sollen bei der Umsetzung Unterstützung erhalten.
4. Landesregierung angreifen und stellen
Wir wollen die nordrhein-westfälische Landespolitik der schwarz-grünen Landesregierung scharf in den Blick nehmen und sowohl zu Gesetzesvorhaben linke Alternativen aufzeigen und der Gesellschaft Vorschläge unterbreiten, die eine konkrete Verbesserung der Lebensverhältnisse beinhalten. Dazu gehört es ebenso den Widerstand gegen eine Schuldenbremse, der flächendeckenden Steigung der (Kinder-)Armutsquoten, steigenden Miet- und Energiepreisen zu organisieren und (vorerst) außerparlamentarisch zu begleiten. Der Widerstand gegen das Abbaggern von Lützerath und den fortschreitenden Kohleabbau ist genauso notwendig wie der Kampf für die Beibehaltung des 9-Euro-Tickets und den Ausbau des ÖPNV. Einen Nachschlag von 897 Millionen Euro für den Landeshaushalt - das hat die Regierungskoalition aus CDU und Grünen auf ihrer Kabinettssitzung kürzlich beschlossen. Investiert werden soll das Geld angeblich in Bildung, Klimaschutz, Sicherheit und Flüchtlingshilfe. Die konkrete Politik in Lützerath, der mangelnde Wille zu einer sozial-ökologischen Verkehrswende, die Polizeiereignisse in Dortmund oder der kritikwürdige Umgang der Verwaltung mit Menschen mit Fluchterfahrungen sprechen eine andere Sprache. Hier werden wir die Landesregierung stellen und insbesondere die Grünen entzaubern.
5.Öffentlichkeitsarbeit zielgerichtet ausbauen
Durch die derzeitigen Rahmenbedingungen sind unsere Möglichkeiten der eigenen Öffentlichkeitsarbeit stark eingeschränkt. Pressemitteilungen und Medienarbeit in den sozialen Netzwerken wollen wir zielgerichtet weiterentwickeln und ausbauen. Einen großen Mehrwert für die Berichterstattung haben wir durch unsere kommunalen Vertretungen. Dazu bereiten wir einen Kommunalratschlag der Landespartei (unter Einbeziehung der Bildungsträger) vor, um gemeinsame Kampagnenschwerpunkte zu analysieren und aufeinander abzustimmen. Parallel wollen wir herausfinden welche mediengestalterischen Expertisen aus unserer Mitgliedschaft gehoben werden können. Den Kreisverbänden bieten wir dazu regionale Fortbildungen an.
Ein Grundproblem unserer öffentlichen Wahrnehmung haben wir jedoch selbst in der Hand. Die Außendarstellung in den sozialen Netzwerken. Hierzu erarbeiten wir zeitnah einen Leitfaden zum Umgang einer positiven Verbreitung von Parteiinhalten für Mitglieder und überlegen gemeinsam wie wir Enttäuschung und Ärger besser nach Innen kanalisieren. Dafür eröffnen wir Debattenräume zu Sachfragen, fernab von immer wiederkehrenden Personenkultfragen, Anhängerschaften und lähmenden Streitigkeiten.
6. Kommunalpolitische Arbeit unterstützen
Ein Hauptteil linker Wahrnehmung findet in der Kommunalpolitik statt. Damit ist nicht nur die Vertretung in Räten und Kreistagen gemeint. Jedes Engagement in Bürgerinitiativen, Stadteilen oder lokalen Arbeitszusammenhängen ist Kommunalpolitik. Wir wollen das zusammendenken! Mit dem kopofo NRW haben wir einen nunmehr finanziell geschwächten Partner, der jedoch auf eine große Expertise zurückgreifen kann. Daher setzen wir uns auch zukünftig für seine finanzielle Unterstützung ein.
Wir überlegen uns gemeinsam mit den LAGen Muster-Anträge und Resolutionen sowie Best-Practise-Beispiele die wir in der gesamten Fläche Nordrhein-Westfalens verbreitern können. Dies können auch Aktionsvorschläge für Infostände, kreative Wahlkampfmethoden und dergleichen sein.
7. Landesarbeitsgemeinschaften wiederbeleben und deren Arbeit einfordern
Ein Landesvorstand ist auf die Zuarbeit aus den Landesarbeitsgemeinschaften angewiesen. Hier steckt ein Großteil unserer Expertise. Wir werben dafür, die ehrenamtliche Arbeit in den LAGen wieder stärker zu beleben und führen regelmäßige Austauschformate mit den LAGs und dem Landesvorstand durch. Dort wo Fachzuständigkeiten bei Landesvorstands-mitgliedern liegen, sehen wir deren Teilnahme an Sitzungen von Fach-LAGen als verpflichtend an. Bei thematischen Fachkonferenzen beziehen wir die LAGen bei der Planung explizit mit ein. Wir wollen die Arbeit der Genoss:innen wieder mehr wertschätzen.
8. Debattenräume organisieren
Diskurse wollen wir offensiv angehen. Für Hinterzimmer-Klüngeleien und Vermeidung von politischen Fragestellungen stehen wir nicht zur Verfügung und werden regelmäßige Online-Konferenzen mit Kreisvorständen und Fraktionsvorsitzenden zu Kampagnenentwicklungen, insbesondere aber zu strittigen Fragen initiieren und anbieten. Dabei sollen auch die innerparteilichen Zusammenschlüsse gehört werden.
9.Zusammenarbeit mit Abgeordneten
Unseren Abgeordneten bekommt bei der Frage der öffentlichen Wahrnehmung ebenfalls eine besondere Rolle zu. Einer zunehmenden Entfremdung von Parlamentarier:innen zur Basis wollen wir solidarisch entgegenwirken. Daher bieten wir unseren Abgeordneten auch weiterhin einen Raum zur innerparteilichen Debatte an. Wir erwarten aus der Landesgruppe eine stetige Vertretung bei Landesvorstandssitzungen, Landesräten aber auch die Teilnahme und Präsenz aller bei Landesparteitagen und fordern für letztere Organe die Berichtspflicht mit einer solidarischen anschließenden Aussprache ein. Wir wollen wieder Hand in Hand arbeiten! Wir werben gemeinsam dafür, die Amtszeiten für Abgeordnete zu begrenzen.
10. Mehr Teilhabe und Transparenz
Unsere Arbeit im Landesvorstand soll von Offenheit, Transparenz und guter animierender Stimmung sich in die Debatten einzubringen geprägt sein. Wir veröffentlichen nach jeder LaVo-Sitzung wieder Sofortinformationen, weisen in anschließenden Pressemitteilungen auf politisch gefasste Beschlüsse hin und stellen die Beschlüsse umgehend auf die Seite des Landesverbandes vollumfänglich und transparent ein und verweisen ebenso im 'Landesinfo' (dem Newsletter) darauf. Das 'Landesinfo' soll wieder mehr Ausgewogenheit bei den innerparteilichen Positionen widerspiegeln. Hierzu führen wir eine Redaktionsgruppe ein, die die Arbeit der Landesgeschäftsstelle unterstützt und den Blickwinkel verbreitert. Termine mit überregionalem Charakter werden wir auf der LV-Webseite einstellen.
Bei der Vorbereitung von Landtags- und Bundestagswahlen diskutieren wir die Option Listenvorschläge in den Landesverband zu geben. Dies dient der Vermeidung strömungspolitischer Spaltungen, wie wir es in den letzten Jahren schmerzlich zu spüren bekommen haben. Dabei soll die Frage der Regionalisierung des Landesverbandes in die Überlegungen einbezogen werden.
Um diese Arbeitsvorhaben umzusetzen und die Partei sowohl für neue Mitglieder, als auch für die kommenden Wahlkämpfe wieder attraktiver zu machen, brauchen wir ein neues Profil der Partei. Dieses verbinden wir mit einer deutlich wahrnehmbaren ökosozialistischen, bewegungsorientierten und radikaldemokratischen Ausrichtung, die für die Vision steht:
Eine andere Welt ist möglich!
Dieser Erneuerungsprozess bedarf einer breiten Diskussion auf allen Ebenen der Partei, so dass sowohl die Mitgliedschaft, als auch potentiell an Mitarbeit interessierte Menschen das Gefühl haben, dass Veränderung nicht von oben, sondern von und mit Ihnen von unten kommt.
Abwärtstrend muss gestoppt werden - In Nordrhein-Westfalen wandten sich politische Bündnispartner von der Linken ab
In ihren jüngsten Interviews wiederholte die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete ohne Wahlkreis, Sahra Wagenknecht, ihre immergleiche Forderung nach mehr Fokussierung auf „sozialen Themen“ durch die Partei DIE LINKE und beklagt fehlende Empathie der sogenannten „Lifestyle-Linken“. „Wir brauchen mehr Empathie mit der eigenen Partei“, meint dagegen der langjährige Wahlkampfleiter und Landesgeschäftsführer (2012-2020) der Linken NRW, Sascha H. Wagner. Als Kreissprecher und aktiver Kommunalpolitiker in Westdeutschland sieht er viele strukturelle Versäumnisse, die zunehmend für politische Lähmungen sorgen.
Und täglich grüßt das Murmeltier in Form eines neuen Wagenknecht-Interviews. Als jemand, der seit vielen Jahren und in verschiedenen Funktionen an der Basis der Partei wirken darf, stehe ich mal staunend, mal entsetzt und mal ratlos vor den mantraartigen Erzählungen einer prominenten Mandatsträgerin, die ich einst selbst bewunderte, kamen wir doch aus dem gleichen „antikapitalistischen Lager“ in der Partei, dem ich immer noch angehöre. Wer in der Partei aktiv ist, der weiß übrigens auch, dass die soziale Frage im Mittelpunkt der Politik der Partei steht. Die Probleme liegen woanders.
Bereits nach den Europawahlen 2014 erkannte das Landeswahlbüro NRW die Trendwende in den Wählerschichten bzw. -milieus. Wir verloren zunehmend in den Ruhrgebietsmetropolen, gewannen dafür umso mehr in den Universitätsstädten und in den Stadtteilen, in denen das sogenannte Bildungsbürgertum lebt. Dies führte schon seinerzeit zu einer Debatte, die in der Wahlstrategie zu den Landtagswahlen 2017 auf eine breite und zugleich zielgruppenorientierte Ausrichtung in der Ansprache und Kampagnenführung führte. Der Achtungserfolg von 4,9 % (es fehlten 8.000 Stimmen für den Wiedereinzug in den Landtag) wäre ohne diese breite Ausrichtung nicht zu erzielen gewesen. Heute steht der Landesverband in den Wahlumfragen bei 2,5%. DIE LINKE. NRW hatte sich 2017 einen guten Ruf erarbeitet, zahlreiche Verbände und Organisationen aus dem sozialen, gewerkschaftlichen, queeren und umweltpolitischen Bereich hatten darauf gehofft, dass DIE LINKE in den Landtag einzieht und bedauerten mit uns das knappe Scheitern.
Damals war man sich im Landesvorstand, mit Ausnahme einer Person, einig in der Frage, welche Form der Wähler:innenansprache gewählt werden muss: Inhaltlich klar, auf Selbstorganisation und nicht auf Stellvertreter:innenpolitik setzend, orientiert an gesellschaftlichen Kämpfen.
Die im Vorfeld der Landtagswahlen 2017 aufgebaute fachpolitische Kompetenz der Landespartei ist seitdem zerronnen, Strömungszugehörigkeit und Abhängigkeiten wurden zu entscheidenden Kriterien, Bündnispartner:innen aus der Erwerbslosenarbeit und antifaschistischen Initiativen wandten sich, teilweise öffentlich, von der LINKEN ab. Mittendrin, aber nie präsent: Sahra Wagenknecht, deren hauptamtlicher Wahlkreismitarbeiter gleichzeitig als ehrenamtlicher Landessprecher agiert. In Wagenknechts Sinne agiert:
Der Aufbau der Landespartei wurde vernachlässigt, die Partei hatte Ende Oktober 200 Mitglieder weniger als zu Jahresbeginn. Zahlreiche, über viele Jahre engagierte Genoss:innen haben sich zurückgezogen, die innerparteiliche Kommunikation wurde massiv eingeschränkt, unbequeme Landesarbeitsgemeinschaften wurden durch Masseneintritte des Wagenknechts-Lagers faktisch zerstört. Die Listenaufstellung zur Bundestagswahl war zwar demokratisch durch Mehrheitsvoten legitimiert, missachtete aber die Vielfältigkeit der zu erreichenden Wähler:innenpotentiale und der Strömungen innerhalb der Landespartei. Alle Bemühungen, mit einer integrativen Spitzenkandidatur „Druck vom Kessel“ zu nehmen, wurden zerstört, eine krasse Demobilisierung war die Folge.
An der Frage „Wie hältst du es mit Wagenknecht?“ wurde ein Klima der Feindschaft und des Misstrauens geschaffen, die Partei zur Mandatsabsicherungsorganisation degradiert. Und dies alle während der Corona-Pandemie, die diesen Prozess beschleunigte, weil die direkten und auch verbindenden Treffen und Sitzungen von Mitgliedern ebenso wenig stattfinden konnten wie die direkten Kontakte zur Bevölkerung.
Aus diesen Erfahrungen müssen nun Konsequenzen gezogen werden, ein weiterer Abwärtstrend muss aufgehalten, ja umgekehrt werden.
Unsere Mitglieder müssen sich und ihr eigenes Engagement wieder als wertgeschätzt wahrnehmen können, ihre Arbeit und nicht einzelne Talkshow-Auftritte müssen die Partei prägen.
Was dem Landesverband fehlt ist eine Gesamtstrategie, die zum einen die CDU/FDP-Landesregierung, aber auch SPD und Grüne, als politische Gegner fachkundig in die Mangel nimmt und gleichzeitig die innerparteiliche Entwicklung (Begleitung der Neumitglieder, organisatorische Vorbereitung von Wahlen, Stärkung der ehrenamtlich Aktiven, Bündnisorientierung im außerparlamentarischen Bereich) aktiv gestaltet und nicht nur passiv anschaut.
Positive Ansätze wie der „Gewerkschaftsblitz“, mit dem eine Landesarbeitsgemeinschaft inhaltliche Inputs zu konkreten Fragestellungen gibt, können nur dann einen Mehrwert entwickeln, wenn es dazu konkrete Initiativen für den Aufbau von Betriebsgruppen gibt und die systematische Vernetzung von Mitgliedern aus bestimmten Berufsgruppen, wie der Pflege, endlich wieder aufgenommen und weiterentwickelt wird
Es bleibt jedoch die Frage wie die tiefen Wunden und Verletzungen geheilt werden können. Wenn ich Medieninterviews lese, die dazu genutzt werden, sich am alten Parteivorstand abzuarbeiten, Vorwürfe zu erheben und Spitzen zu verteilen, stellt sich doch die Frage, warum hochdotierte Abgeordnete nicht Willens oder in der Lage sind, den Gremien der Partei konstruktive Vorschläge zur politischen und zur inhaltlichen Arbeit zu unterbreiten – oder zumindest mit dem eigenen Kreis- oder Landesverband zu kommunizieren. Man muss doch, das kommt hinzu, selbst merken, wenn man von der Springer-Presse als Kronzeugin und Zersetzerin gegen die eigene Partei benutzt wird.
Diese Form des Disputs kommt schon pathologischen Erscheinungen gleich, die Parteibasis ist das leid, zumal bundesweit inhaltlich längst entschieden ist, dass das Wagenknechtsche Konzept einer linkskonservativen Partei von DIE LINKE nicht gewollt ist.
Ich kenne kaum Kommunalpolitiker:innen, die bei ihrer alltäglichen Arbeit nicht für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen eintreten. Dies geschieht entlang sehr unterschiedlicher Gegebenheiten, im ländlichen Raum sind die Bedingungen wesentlich schwieriger als in den Ballungsräumen. Keine einziges Mal habe ich in all den Jahren meiner Tätigkeit in der LINKEN mitbekommen oder auch nur gehört, dass ein soziales Problem nicht angegangen wurde, weil man sich um Lifestyle-Themen kümmern wolle – oder umgekehrt.
Ich lade Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter:innen ehrlich ein, hier vor Ort einmal ein paar Tage mit uns Infostände vor dem Jobcenter und in den Fußgängerzonen zu bestreiten, Plakate aufzuhängen, Material in die Briefkästen zu stecken und der Sozialberatung beizuwohnen und politische Gespräche beim Einkauf zu führen.
Die Arbeit an der Basis ist erschreckend ehrlich und von den Lebensnöten des Alltags geprägt. Wir stellen uns täglich der sozialen Frage, aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir vor Ort gar nicht so viel arbeiten können, um das, was mit dem Arsch, also Interviews, umgerissen wird, wieder auszugleichen.
Wenn in der ursprünglichen Arbeiter:innenstadt Bochum DIE LINKE ihre besseren Ergebnisse in den urbanen, studentisch geprägten Stadtteilen erzielt und uns in Leipzig die „Lifestyle-Linken“ das rettende dritte Direktmandat sichern, müssen wir über die Sinnhaftigkeit von Linkskonservatismus wohl nicht länger diskutieren.
Ein Neuanfang in der ressourcenreichen Bundestagsfraktion wäre aktuell ein wichtiger Beitrag zur Erneuerung der Partei gewesen. Er ist versäumt worden. Ein Strategiepapier, das nicht Anlass zu neuen Zweifeln, sondern zu Zuversicht gibt, hätte an der Basis sehr geholfen. Eine Nicht-Aufnahme von Thomas Lutze aus dem Saarland in die Bundestagsfraktion bis zur rechtlichen Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe wäre ein Signal gewesen, dass DIE LINKE dem jämmerlichen Saarland-Schauspiel endlich ein Ende bereiten will. Klimapolitische Erklärungen, die nicht wie in der Gas-Lobby geschrieben klingen, hätten uns geholfen. Doch der Start der neuen Fraktion ist missglückt.
Macht den Rücken gerade, Genoss:innen, und bringt die politischen Konflikte endlich abschließend zu einer Lösung, bevor DIE LINKE in die Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Von Afghanistan über Antifa bis Altschulden
In diesem Jahr werden viele junge Erwachsene erstmals den Bundestag wählen. Den Erstwählern liegen viele Themen auf dem Herzen. Hier antworten lokale Direktkandidaten auf Fragen von Schülerinnen und Schülern
In diesem Jahr werden viele junge Erwachsene erstmals den Bundestag wählen.
von Katrin Simoneit
Für viele junge Erwachsene steht in diesem Jahr ihre erste Bundestagswahl an. Besonders für die nächste Generation stellen sich viele Fragen – die Lokalredaktion Oberhausen hat mehreren Erstwählern des Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen die Möglichkeit gegeben, ihre Fragen per Video an die Direktkandidaten der Parteien zu stellen. Das sind die Antworten der Bundestagspolitiker.
Oberstufenschüler Henrik brennt vor allem eine Frage an die Linken unter den Nägeln. Er will von Direktkandidat Sascha Wagner wissen : „Warum hat sich Ihre Partei enthalten, als es um den Rettungseinsatz deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte ging – und wie stehen Sie zur Bundeswehr?“ Wagner entgegnet, dass die Politiker der Meinung waren, dass das bestehende Mandat ausgereicht hätte. Dementsprechend hätten sie auch im Vorfeld dem Antrag der Grünen, die Hilfskräfte herauszuholen, zugestimmt.
„Wir sagen als Linke generell, dass Krieg kein Mittel der Wahl sein kann. Wir haben 400 Milliarden Euro in den Afghanistan-Krieg, in die militärische Intervention hineingesteckt und nur zwölf Milliarden Euro für die humanitären Hilfszwecke. Hätte man hier eine Verschiebung vorgenommen, hätten wir heute ganz andere Möglichkeiten in Afghanistan gehabt“, meint Wagner. Grundsätzlich fordere die Linke, die Ausgaben für das Militär im Bundeshaushalt radikal zu kürzen – aber zugleich die Bundeswehr so auszustatten, dass sie Einsätze für humanitäre Zwecke gut bewerkstelligen könne.
Klimaschutz ist ein wichtiges Thema für Grüne und Linke
Schülerin Mia beschäftigt sich kurz vor der Wahl besonders mit der Antifa: „Was halten Sie persönlich von der Antifa und wie stehen Sie zu den Übergriffen der Antifa auf die Polizei?“, will sie von Grünen-Kandidatin Stefanie Weyland wissen . Weyland antwortet bedacht vor grüner Kulisse. „Die Antifa beschäftigt sich mit Rechtsextremismus und das ist erstmal sehr gut. Aber wir stehen für Gewaltfreiheit und Übergriffe gegenüber der Polizei sind nicht tolerierbar.“
Doch es geht den jungen Menschen auch um die Politik direkt vor Ort. Deshalb fragt Erstwähler Pascal die Parteien, was denn Oberhausen davon habe, wenn sie in den Bundestag einziehen. Darauf antwortet Marie-Luise Dött (CDU), dass sie sich in Berlin einsetze, damit Oberhausen vier Millionen Euro für den Ausbau des Breitbandnetzes bekommt – und damit auch schnelleres Internet. „Der Mittelstand liegt mir besonders am Herzen, weil er die meisten Arbeitsplätze schafft. Der Mittelstand ist innovativ und wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, dann geht das nur mit dem Mittelstand und nicht dagegen.“
Stefanie Weyland von den Grünen will sich nicht nur mit einer neuen Kindergrundsicherung für die nächste Generation einsetzen. „In Oberhausen selbst fehlt ein Jugendcafé und wir können viel mehr Begrünung in der Stadt machen. Dach- und Fassadenbegrünung, um so auch Hitzesommern entgegen zu wirken.“ Es sei viel zu tun – so sollen auch Radwege ausgebaut werden, zwischen den Städten und auch innerhalb von Oberhausen.
Auch Sascha Wagner von den Linken gibt sich bei dieser Antwort kampflustig: „Wenn ich in den Bundestag komme, gibt es dort jemanden, der für Oberhausen massiv darum kämpft, dass die Altschulden abgebaut werden und die Kommunen in NRW und bundesweit wieder handlungsfähig werden.“ Die Städte müssten mit immer höheren Kosten umgehen, da der Bund die Gesetze so beschließe, dass die Kommunen am Ende das Nachsehen hätten. Außerdem stehen für Wagner die Punkte Kinderarmut, Verkehrswende und Klimaschutz ganz oben auf der To-Do-Liste für Berlin.
Das ganze Video gibt es hier: nrz.de/233338639
Um auf sich aufmerksam zu machen, nutzen viele Politiker die sozialen Medien. Dabei präsentieren sie sich bürgernah und von ihrer besten Seite – und provozieren auch gerne
Katrin Simoneit
In anderthalb Wochen, am Sonntag, 26. September, findet die Bundestagswahl statt. Auch wenn Wahlplakate und die klassischen Stände auf dem Wochenmarkt der Innenstädte weiterhin Tradition haben, gucken viele Wähler mittlerweile genau darauf, wie sich die Kandidatinnen und Kandidaten in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter positionieren. Der digitale Wahlkampf hat in den vergangenen Jahren einen immer größeren Stellenwert eingenommen. Grund genug, sich die Internetauftritte der Direktkandidaten des Wahlkreises 117 (Oberhausen/Dinslaken) genauer anzusehen.
Marie-Luise Dött (CDU)
Marie-Luise Dött ist auf Facebook und Instagram unterwegs. Bei Facebook fällt auf, dass die Direktkandidatin zwischen Mai und August keinen einzigen Post absetzte und seit August häufig ihre Wahlkampfhelfer in Oberhausen und Dinslaken zeigt, die fleißig Wahlkampfposter in den Straßen aufhängen. Auch ihren Wahlwerbespot präsentiert Dött in den sozialen Medien, sie spricht die Internetnutzer mit Du an. Auf Instagram ist sie aktiver, teilt Storys (die nach 24 Stunden wieder gelöscht werden) und zeigt ihr Gesicht auf bunten Kacheln, die mit politischen Zitaten versehen sind, wie „Vor dem Ausgeben kommt das Erwirtschaften“ oder „Wir müssen Probleme lösen, nicht nur darüber reden.“
Dirk Vöpel (SPD)
Ähnlich handhabt es SPD-Direktkandidat Dirk Vöpel. Wie auch auf den Plakaten der SPD-Kandidaten ist sein Facebook-Profilbild schwarz-weiß, das Profil-Banner ruft auf rotem Untergrund „Erststimme Dirk“ mit einer Karikatur von Vöpels Gesicht. In seinen Beiträgen gibt Vöpel sich kämpferisch, er zeigt sich auf Veranstaltungen der Sommerschule oder beim Kleben seiner Wahlplakate. Auch er teilt auf Facebook seinen Wahlkampfspot. Das auf Fotos und Videos spezialisierte Medium Instagram bedient der Bundestagspolitiker ebenfalls – allerdings erst seit März dieses Jahres. Die Beiträge unterscheiden sich allerdings nicht sehr von den Facebook-Posts.
Stefanie Weyland (Grüne)
Stefanie Weyland, die Grünen-Direktkandidatin, zeigt sich auf Instagram und Facebook ebenfalls von ihrer besten Seite – wenn auch oft mit denselben Beiträgen. Sie teilt Bilder von sich beim Verteilen von Flyern in Dinslaken oder bei Veranstaltungen in Oberhausen, wie einen Besuch im Alsbachtal im August. Fotos vom naturbelassenen Spaziergang gibt es auch – entstanden bei ihrer Aktion #zeigmirdeinenstadtteil, bei der ein Bürger die Kandidatin bereits durch Schmachtendorf führte.
Roman Müller-Böhm (FDP)
FDP-Direktkandidat Roman Müller-Böhm nutzt seine Plattform auf Facebook dazu, Rückblicke aus seinen vergangenen vier Jahren als Bundestagsmitglied zu zeigen. Während er auf Instagram seit Juni 2021 nicht mehr aktiv ist, zeigt er sich auf Facebook aktuell auch provokant. Dort hat er beispielsweise ein Bild geteilt, auf dem er sich die Hand an den Kopf hält. Der Slogan dazu: „Wenn Rot-Rot-Grün Wirklichkeit werden könnte… #kopfschmerztag“.
Sascha Wagner (Linke)
Sascha Wagner von den Linken ist in den sozialen Medien eher wenig selbst zu sehen, zumeist teilt er Inhalte seiner Partei oder Zeitungsberichte. Wenn er doch einmal selbst vor der Kamera zu sehen ist, zeigt er Selbstporträts am Parteistand oder von seinem Besuch der Oberhausener Lebenshilfe im August.
Olaf Wilhelm (AfD)
Olaf Wilhelm, den Direktkandidten der AfD, sucht man in den sozialen Medien vergebens. Er taucht hin und wieder auf der Facebook-Seite der AfD Oberhausen auf. Dort werden neben Fotos von Wahlkampf-Terminen auch ein Bild von Wilhelm gezeigt, wie er Wahlplakate in den Straßen aufhängt.
Hajo Sommer (Die Partei)
Hajo Sommers, der für Die Partei kandidiert, schöpft die kreativen Möglichkeiten der sozialen Medien voll aus. Für sich selbst rührt er die Werbetrommel auf seiner persönlichen Facebook-Seite, doch auch auf der Partei-Seite wird Sommers als Star der Show präsentiert. Regelmäßig veröffentlicht die Partei Video-Schnipsel mit dem Leiter des Ebertbades, zeigt ihn bei einer Fahrradtour durch Dinslaken und stellt ihm im Format „Hajo, sach ma...“ allerhand Fragen – beispielsweise, wo der Unterschied zwischen Oberhausen und Dinslaken liegt. Zudem fand auf Sommers privater Facebook-Seite Anfang September auch ein Live-Stream statt, bei dem der Direktkandidat sich den Fragen der Zuschauer stellte.
AN RHEIN UND RUHR. Beim TV-Vierkampf diskutierten FDP, Linke und CSU auch über mögliche Koalitionen. Die AfD fühlt sich von den anderen Parteien ausgegrenzt.
Nach dem TV-Triell letzten Sonntag zwischen den Kanzlerkandidaten konnten nun auch die kleineren Parteien FDP, AfD, Die Linke und CSU ihre Standpunkte per „Vierkampf“ darlegen. Die NRZ hörte sich dazu an der Basis der jeweiligen Parteien um. Mit Ausnahme der CSU, die ja nur in Bayern antritt.
Tanja Hinz, Beisitzerin im FDP-Kreisverband Kleve-Geldern und Vizechefin der FDP Rees, hat einen souveränen TV-Auftritt Christian Lindners im TV-Vierkampf gesehen: „Ich glaube, dass es sehr deutlich geworden ist, dass es uns bei vor allem um Themen und Inhalte geht.“ Der Zuschauer habe die Unterschiede zu den anderen Parteien erkennen können.
Einen besonderen Fokus sieht Hinz beim Thema Steuern: „Eine Steuererhöhung ist ein falsches Signal, wir müssen eher Anreize schaffen, sonst kommen wir nicht aus der Krise.“ Dies sei auch der Knackpunkt in möglichen Koalitionsgesprächen: „Die Durchsetzung einer Steuererhöhung, wie sie etwa SPD und Linke fordern, ist meiner Einschätzung nach nicht verhandelbar.“
FDP sieht Schwierigkeiten in Koalition mit Rot-Grün
So sieht das Oliver Alefs, Vize- Kreisvorsitzender der FDP Duisburg, der seine Partei nicht als Steigbügelhalter sehen will: „Die Programme sind so kontrovers, da wird es schwierig mit Rot-Grün“, meint Alefs. Die Wunschkoalition mit der CDU sei wahrscheinlich nicht möglich, dennoch dürften mögliche Koalitionsgespräche nicht laufen wie 2017, sagt er.
Gerald Schädlich von der FDP Dinslaken nahm den Vierkampf als deutlich erfrischender wahr als das Triell und sah sich durch Christian Lindner gut vertreten. Schädlich nannte die Wahl eine „Wundertüte“. Er glaube aber, dass die CDU am Ende im Ergebnis besser da stehen werde als derzeit in den Umfragen.
Die Linken sind für Koalition mit SPD und Grünen offen
Der Duisburger Linke Markus Menzel lobte den Auftritt seiner Parteivorsitzenden Janine Wissler als „gewohnt gut“. Von FDP und CSU seien nur die gleichen Parolen gekommen. In einer Regierungsverantwortung wolle etwas in diesem Land verändern. Unter dem Vorbehalt, dass die Spitzenleute von SPD und Grünen überhaupt eine Koalition eingehen möchten und nicht zu jedem Preis. Er wisse jedoch auch, dass seine Partei in dieser Frage gespalten sei.
Kea Detmers, Sprecherin der Linken in Düsseldorf, meint, dass die Linke bei einer möglichen Regierungsbildung nicht zu große Abstriche machen sollte. Zum von der SPD geforderten Bekenntnis zur Nato sagt Detmers, dass das Thema eine lange Tradition in der Linken habe. Dass aber immer nur von der Linken Zugeständnisse gefordert würden und nicht etwa von der SPD und Grünen, stört sie.
Sascha Wagner, Direktkandidat der Linken aus Dinslaken, vermutet hinter der Nato-Debatte politisches Kalkül: „Ich glaube, SPD und Grüne suchen gezielt nach Ausschlusskriterien.“ Die beiden Parteien hätten Angst davor, sich zu einer linksgerichteten Regierung durchzuringen, so Wagner. „Das ist eine Diskussion, die wir selbst nicht angestoßen haben.“ In Sachen Klimapolitik brauche es eine „radikale Verkehrswende“. Dabei dürfe die soziale Komponente aber nicht außer Acht gelassen werden. „Die Bürger müssen sich die Lebenseinschnitte auch leisten können.“
AfD fühlt sich ausgegrenzt
Die AfD-Basis steht hinter ihrer Spitzenkandidatin. Alice Weidel sei „sehr resolut und konsequent aufgetreten“, kommentierte der Essener AfD-Kreissprecher Günter Weiß. „Obwohl ihr die kürzeste Redezeit zugestanden wurde“, sagte Gerd Plorin, Direktkandidat im Kreis Kleve. Entgegen der Mehrheitsmeinung habe die AfD-Politikerin „unangenehme Notwendigkeiten“ vertreten - darunter der Verzicht auf einen Mindestlohn, die Erhöhung der Rentenbeiträge, EU-Austritt sowie der Ausstieg aus der Energie- und Verkehrswende, so Plorin.
Dass die AfD als einzige Partei von allen Mitbewerbern als potenzieller Koalitionspartner ausgeschlossen wird, sei „überheblich und arrogant“, sagte Weiß. AfD-Kandidat Sascha Lensing aus Duisburg warf den anderen Parteien vor, an einem „zutiefst undemokratischen Ausgrenzungskurs“ festzuhalten.“
Dinslaken Wenn die Partei ihn braucht, steht er bereit. Der 41-Jährige tritt für Die Linke als Bundestagskandidat an. Er muss seinen Wahlkreis allerdings direkt holen, um ins Parlament in der Bundeshauptstadt Berlin einzuziehen. Denn einen Listenplatz hat er nicht.
Von Heinz Schild
Sascha Wagner ist das, was man einen Parteisoldaten nennt. Wenn Die Linke ihn ruft, ist er stets zur Stelle. Da war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass er als Kandidat für die Bundestagswahl am 26. September antritt, nachdem Niema Movassat Mitte des vergangenen Jahres erklärt hatte, nach drei Legislaturperioden als Abgeordneter der Linken nicht mehr für den Bundestag kandidieren zu wollen. Im Gegensatz zu Movassat, dessen Einzug in das Parlament über die Landesliste seiner Partei abgesichert war, gilt dies für Wagner nicht. Der 41-Jährige muss seinen Wahlkreis direkt holen, was allerdings sehr unwahrscheinlich ist. „Meine Lebensplanung ist nicht auf Berlin ausgerichtet“, bekennt der Dinslakener, der vielfach in Parteizusammenhängen gearbeitet hat und immer noch arbeitet, aktuell als Geschäftsführer der Fraktion Die Linke Liste im Rat der Stadt Moers.
Den gegenwärtigen Wahlkampf empfindet Sascha Wagner als „eigenartig“, was er auf die Pandemie zurückführt. Die Anzahl der Präsenzveranstaltungen ist deutlich reduziert, dafür gibt es mehr Online-Formatanfragen, ein Großteil des Wahlkampfes findet digital statt. Dem Kandidaten der Linken ist es wichtig, in welcher Form auch immer, seine eigene Position rüberzubringen und die Menschen mit seinen politischen Ansichten zu überzeugen. „Kommunal- und Bundespolitik – eines hängt mit dem anderen zusammen“, sagt Wagner, der sich selbst als „Kommunalpolitiker mit Leidenschaft und großer Hingabe“ bezeichnet. Die Arbeit vor Ort sieht er als sehr wichtig an, weil es um Themen geht, die die Menschen unmittelbar betreffen. Als Dinslakener weiß er, wo die Menschen in dieser Stadt der Schuh drückt. Der kommunale Bereich ist für ihn der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält, denn in der Kommune finde das Leben statt.
INFO
Vorsitzender der Linksfraktion im Kreistag
Politisch aktiv Geboren wurde Sascha Wagner 1980 in Essen. Er arbeitete in verschiedenen Berufen. Seit 2005 lebt er in Dinslaken. Der Partei Die Linke gehört er seit dem Jahr 2007 an. 2014 errang er einen Sitz im Kreistag Wesel und ist dort Vorsitzender der Linksfraktion.
Für Sascha Wagner steht fest, dass Städte und Gemeinden auskömmlich finanziert werden müssen. Mit Blick auf die Schulden, die etliche Kommunen aufgenommen haben, um all die Aufgaben, die ihnen teilweise von Land oder Bund aufs Auge gedrückt worden sind, erfüllen zu können, fordert Wagner einen Altschuldenfonds beziehungsweise einen Schuldenschnitt.
Er plädiert für einen Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV). „Den Menschen muss eine Alternative geboten werden, damit sie auf das eigene Auto verzichten“, sagt Wagner. Das Stadtbussystem hält er für einen vernünftigen Ansatz.
Der ÖPNV gehört für ihn in die Öffentliche Hand, von Privatisierung hält der Linke nichts. Er lässt keinen Zweifel daran, dass ein gut ausgebauter und funktionierender ÖPNV nie kostendeckend wird sein können, sondern immer ein Zuschussgeschäft. Den ÖPNV betrachtet er als wichtigen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Der großen Koalition bescheinigt Sascha Wagner, in einen Tiefschlaf gesunken zu sein. Deshalb hält er auf Bundesebene einen Richtungswechsel für dringend geboten. „Ich stehe für Veränderungen“, sagt der Dinslakener von sich. Angesichts der Pandemie, die momentan alles überschatte, gelte es, Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen.
Die zunehmende Privatisierung im Gesundheitsbereich bereitet ihm Sorgen. Da Pflegekräfte fehlten, müssten Anreize geschaffen werden, damit junge Menschen in diesem Bereich arbeiten wollen. Wagner, der gelernter Gesundheits- und Krankenpfleger ist, hält eine Reform des Gesundheitssystems für unumgänglich. Er plädiert für eine solidarische Gesundheitsfinanzierung, in die alle einzahlen müssten.
Sascha H. Wagner (li.), Direktkandidat der Linken im Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken, und Bernd Riexinger, Ex-Parteivorsitzender und Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, sind sich einig: „Die schwarze Null ist völliger Gaga, gerade in Zeiten, in denen die Zinsen so niedrig sind.“ Tanja Pickartz FUNKE Foto Services
Gordon Wüllner-Adomako
Die Linke muss sich in diesen Tagen wieder häufig zu ihrer Haltung gegenüber der Nato erklären. Bekanntlich gehört es zur Identität der Partei, dass sie das westliche Militärbündnis ablehnt. Ist die Nato-Frage am Ende jene, an der ein laut Umfragen rechnerisch mögliches rot-rot-grünes Bündnis scheitern könnte?
Der ehemalige Bundesvorsitzende Bernd Riexinger hat bei einem Wahlkampftermin in Oberhausen deutlich gemacht, dass er die größte Trennlinie zwischen den Parteien gar nicht bei außenpolitischen Fragen sieht – sondern bei Verteilungsfragen. „Wenn man nach der Wahl keine Vermögenssteuer einführt, bleibt der Spielraum für soziale Reformen klein.“
Das „Schreckensgespenst“ sieht Riexinger also weniger in einem Bündnis aus Linken, SPD und Grünen, sondern vielmehr in einer Regierung mit liberaler Beteiligung, etwa einer Ampelkoalition. „Ich finde es schlimm, wenn Olaf Scholz der FDP Avancen macht.“ Denn klar sei, dass mit der FDP über Steuererhöhungen, gerade auch für Top-Verdiener, nicht zu reden sei. Die SPD-Wahlversprechen zur höheren Belastung von Reichen seien deswegen „auf Sand gebaut“. „Da bahnt sich ein Betrug am Wähler an. Da müssen wir noch stärker angreifen.“
Selbstkritische Sätze
Es ist nicht der einzige selbstkritische Satz während Riexingers Besuch. Auch mit Blick auf die Nato-Frage gibt der Spitzenkandidat der baden-württembergischen Linken zu, dass man das eigentliche Anliegen seiner Partei besser kommunizieren könnte. „Unsere Halte-Linie ist vielmehr: Keine Kampfeinsätze der Bundeswehr. Nach dem Desaster in Afghanistan sagen alle: Wir müssen die Auslandseinsätze überdenken. Wir sollten viel offensiver damit umgehen, dass die Linke da Recht behalten hat.“
Dass der Linken derzeit vorgeworfen wird, sie hätte zuletzt im Bundestag gegen das Evakuierungsmandat der Bundeswehr in Afghanistan gestimmt, hätte man ebenfalls deutlicher kontern müssen, meint der 65-Jährige. „Wir waren ja eigentlich dafür, viel mehr Leute herauszufliegen.“
Die Grünen hatten dazu einen Antrag im Juni vorgelegt, der von den Linken unterstützt wurde – von der Mehrheit im Bundestag jedoch abgelehnt wurde. „Wir haben da also wesentlich humaner und verantwortungsbewusster agiert als etwa die Regierungsparteien. Das wäre ein Thema gewesen, mit dem wir als Linke hätten punkten können, wo wir mehr hätten zuspitzen können.“
Dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl soll die Zuspitzung noch gelingen. Die Linke dümpelt in Umfragen weiterhin deutlich unter ihrem selbstgesteckten Ziel von mindestens zehn Prozent. Vielleicht braucht die Linken-Kampagne also Sätze wie den folgenden: „Wir haben einen klareren Kompass beim Thema Klimaschutz als die Grünen“, meint Riexinger. Den Klimawandel vorrangig durch grünes Wachstum voranzubringen, hält er für eine Mär: „Es reicht nicht aus, grüne Exportmodelle umzusetzen.“
Das E-Auto beispielsweise verschlinge ja auch reichlich Ressourcen. Man müsse deswegen viel mehr Leute vom Auto in die Züge bringen. „Und da sind die Grünen schwach auf der Brust. Sie wollen in den Nah- und Fernverkehr investieren – aber der Umstieg zum Anreiz fehlt.“ Bei den Linken wolle man stattdessen den Weg zu einem kostenlosen ÖPNV gehen.
Wie das alles bloß finanziert werden soll, wird die Linke oft gefragt. Das Programm sei dieses Mal akribisch durchgerechnet, behauptet die Partei - und dabei geht es ihr nicht allein um Umverteilung: „Die schwarze Null ist völliger Gaga“ meint der Riexinger, „gerade in Zeiten, in denen die Zinsen so niedrig sind und man einen riesigen Investitionsstau hat.“ Wie groß dieser ist, ließe sich in einer Stadt wie Oberhausen mit einer teils stark in die Jahre gekommenen Infrastruktur besonders erleben.
Sascha H. Wagner, der Direktkandidat der Linken im Oberhausener und Dinslakener Wahlkreis, würde deswegen im Falle eines Wahlerfolgs das Thema Kommunalfinanzen ganz vorne auf seine Agenda setzen – und sich nicht wie sein Vorgänger Niema Movassat auf Drogenpolitik und Verbraucherschutz fokussieren. „Der Altschuldenfonds ist eine uralte linke Forderung“, sagt er. Verschuldete Kommunen bräuchten aber nicht nur einen Schuldenschnitt, sondern auch ein neues Finanzierungskonzept. „Wir wollen eine Gemeindewirtschaftssteuer, die weitaus solidarischer wäre als die Gewerbesteuer“, sagt Wagner.
Das Konzept der Linken sieht vor, dass jenseits eines Freibetrags von 30.000 Euro auch Selbstständige bei der Steuer miteinbezogen werden. Die Bemessungsgrundlage der Gemeindewirtschaftssteuer würde durch Einbeziehung von Mieten, Pachten und Schuldzinsen erweitert. Eine solche Steuer wäre in Augen von Bernd Riexinger „weitaus verlässlicher“ als die gegenwärtige Gewerbesteuer, die „Kommunen gerade in Krisenzeiten wenig Einnahmen beschert“. Und im Kern gehe es dabei auch wieder darum, den Spalt zwischen Vermögenden und Armen zu verkleinern, ergänzt Wagner. „Das ist unsere Kern-Identität.“
Dinslaken Dinslakens Jugendparlament lud zur Diskussion vor der Bundestagswahl ein. SPD, Grüne, FDP, Linke und Basis machten mit. Jetzt steht das Video online. Von Sina Zehrfeld
Vielleicht liegt es daran, dass sie es hier mit Jugendlichen zu tun haben. Oder daran, dass sie ahnen können, dass sie gerade nicht von allzu vielen Zuschauern beobachtet werden. Jedenfalls scheinen sich die Bundestagskandidaten bei der Podiumsdiskussion des Dinslakener Kinder- und Jungendparlaments mal locker zu machen – größtenteils jedenfalls.
Das Kinder- und Jugendparlament (Kijupa) hat die Direktkandidatinnen und -kandidaten des hiesigen Wahlkreises Oberhausen – Wesel III am Dienstagabend zur Diskussionsveranstaltung ins Dinslakener Rathaus eingeladen. Gekommen sind Dirk Vöpel (SPD), Stefanie Weyland (Bündnis 90/Die Grünen), Roman Müller-Böhm (FDP) und Sascha Wagner (Die Linke). Im Video zugeschaltet ist Ralf Wosnek (Die Basis).
INFO
Die fehlenden Kandidaten in der Runde
Marie-Luise Dött (CDU) und Hans-Joachim Sommers (PARTEI) waren terminlich verhindert.
Olaf Wilhelm (AfD) und Erhan Aktürk (MLPD) waren zu Beginn der Planungen noch keine Direktkandidaten beziehungsweise dem Kijupa nicht als Kandidaten bekannt.
Guido Horn (Freie Wähler) und Simon Thomas (V-Partei3) reagierten laut Kijupa nicht auf die Anfrage.
Interessant ist schon die Atmosphäre: Anders als bei derartigen Diskussionen üblich ist die Stimmung friedfertig. Die Gäste scheinen über ihr Auftreten nachzudenken, statt prompt in Wahlkampf-Plattitüden zu verfallen. Es gibt erfreulich wenig Polemik.
Dafür, oder womöglich gerade deswegen, werden ihre unterschiedlichen Welt- und Menschenbilder umso deutlicher. Wenn etwa zum Thema Integration und Zuwanderung FDP-Politiker Müller-Böhm über ein Punktesystem für Einwanderungswillige spricht und Linke-Vertreter Sascha Wagner wissen lässt, wie schlimm er das fände. Die Linke sei übrigens dafür, dass jeder leben darf, wo er will.
Grünen-Kandidatin Weyland spricht über das Leid in Flüchtlingslagern. Sozialdemokrat Vöpel darüber, dass jeder, der in Deutschland lebt, auch arbeiten dürfen soll. „Basis“-Mann Wosnek über Kostenfragen und „ganz andere Mentalitäten“ von Menschen von anderswo.
Natürlich fragt das junge Moderatorenteam, Judy Beckmann und Mirkan Alpaslan, nach den Positionen zu einer Senkung des Wahlalters. Da sind in der Runde fast alle dafür. Anders als früher habe man jetzt eine sehr politische junge Generation, begründet das Müller-Böhm. „Wir sehen bei den Kommunalwahlen, dass die Jugendlichen sehr gedankenvoll und verantwortungsbewusst mit dem Wahlrecht umgehen“, befindet Weyland. Wagner glaubt, „dass es die Demokratie massiv stärken würde“, und Vöpel sieht bei all dem keinen Grund zum Widerspruch.
Basis-Vertreter Ralf Wosnek als einziger schon. Junge Leute sollten nicht früher wählen, sondern aufs Wählen viel besser vorbereitet werden, forderte er. Für gewisse Dinge, „auch, wenn man interessiert ist, bedarf es ja auch eines Verstandes“. Das dürften seine jugendlichen Gastgeber und Zuschauerinnen ja interessiert erfahren haben – auch, wenn es dem Kontext nach vielleicht nicht ganz so gemeint war, wie es rüberkam.
Im Laufe der zweistündigen Veranstaltung geht es um viele Themen: um Bildungsföderalismus, Klimawandel und Energiewende. Darum, wie Ausbildungsberufe und vor allem Pflegeberufe attraktiver gemacht werden könnten. Auch um ganz konkrete Ziele für den Wahlkreis Oberhausen – Wesel III.
Sascha Wagner: in seinen Antworten flüssig und meist thematisch auf den Punkt. Weyland: etwas versteift, in ihren Ausführungen wiederholt deutlich neben der Fragestellung. Vöpel: locker im Duktus mit breitem Ruhrpott-Zungenschlag, klar in den Botschaften. Wosnek: bleibt immer wieder vage und bei Andeutungen. Müller Böhm: argumentativ sattelfest, routiniert und stets bereit zu Attacke und Replik.
Von all dem kann sich jede und jeder selbst einen Eindruck verschaffen. Die Zuschauerzahl beim Live-Stream war eher bescheiden: etwa 15 bis 20 Leute waren dabei. Aber jetzt steht das Video dauerhaft auf dem Youtube-Kanal „Kijupa Dinslaken“. Bis Mittwoch wurde es rund 160 Mal angeklickt, die Organisatoren hoffen noch auf deutliche Steigerungen. Bei der gestreamten Podiumsdiskussion zur Kommunalwahl in 2020 habe es live um die 60 Zuschauer gegeben, erklärt die Kijupa-Vorsitzende Miriam Terweiden. Später wurde jenes Video immerhin über 1100 mal aufgerufen.
Für Verbreitung wollen die Aktiven auch noch gezielt sorgen. „Wir werden Ausschnitte auf Instagram und Facebook posten, so dass man sich auch bestimmte Teile, die einen interessieren, und nicht nur die ganze zweistündige Podiumsdiskussion ansehen kann“, kündigt Miriam Terweiden an. Geplant sind außerdem noch Videos, in denen die Diskussionsteilnehmer kurze Fragen beantworten. Bei diesem Format wird dann auch die CDU-Kandidatin Marie-Luise Dött dabei sein.
Angesichts von Klimakrise und Corona-Pandemie führt am sozial-ökologischen Umbau kein Weg vorbei. Es ist einfach nur ärgerlich, immer wieder erneut hören zu müssen, dass die Ökologie ein grünes Lifestyle-Thema wäre, mit dem DIE LINKE ihre Stammklientel in der Arbeiterklasse verraten würde. Diese Schlussfolgerung ist fatal. Anstatt weniger brauchen wir mehr Ökologie in unserer Partei und es wäre die dringende Aufgabe der LINKEN, den Klassencharakter der ökologischen Frage konsequent herauszuarbeiten. Hierin bestünde auch tatsächlich ein echtes Alleinstellungsmerkmal unserer Partei. Dazu soll diese Broschüre einen Debattenbeitrag leisten, die für uns so wichtigen strategischen Ansätze erläutern und mögliche Impulse für den Dialog bieten.
Die Broschüre kann hier downgeloaded werden:
Gastbeitrag in "Die Freiheitsliebe"
Weite Teile des öffentlichen Lebens liegen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit am Boden. Im März 2021 werden wir sechs der letzten zwölf Monate im Shutdown verbracht haben. Nach fast einem Jahr in der Pandemie haben wir unlängst erkannt, dass das Corona-Management in Deutschland das Schlechteste aus zwei Welten verkörpert.
Das strategielose Öffnen und Schließen unseres gesellschaftlichen Miteinanders verursacht Kosten in nie da gewesenen Höhen, während Risikogruppen nicht ausreichend geschützt werden und Beschäftigte im Gesundheitssektor kurz vor dem K.O. stehen. Bund und Länder haben dabei versagt, diese offenkundige Strategielosigkeit zumindest solidarisch gerecht für alle zu gestalten.
Nach einem turbulenten Jahr im Ausnahmezustand sollten wir uns zunächst noch mal der grundlegenden Problematik widmen, aus der all die wirksamen und unwirksamen, gerechten und ungerechten, rationalen und irrationalen Erscheinung dieser Tage resultieren. Die WHO definiert den Begriff „Pandemie“ als die interkontinentale Ausbreitung eines neuartigen Virus, welches mangels vorhandener Resistenzen ein hohes Risiko für die Weltbevölkerung darstellt. Nachdem sich seit Januar 2020 die Atemwegserkrankung COVID-19, ausgelöst durch das Sars-Cov2-Virus, innerhalb weniger Wochen über die Welt verbreitet hat, sind auch wir in Deutschland im Rahmen des uns Möglichen dazu angehalten, Menschenleben zu schützen und unser Gesundheitswesen vor dem Kollaps zu bewahren. Dabei finden die Anstrengungen zur Unterbrechung des Infektionsgeschehens nicht im luftleeren Raum statt. Ob wir wollen oder nicht, ist das Virus in Deutschland auf ein hochgradig vom Kapital abhängiges System gestoßen. Auf ein System, in dem der Mehrwert menschlichen Denkens und Handelns vorwiegend nach ökonomischen Parametern beurteilt wird. Im Zuge der jahrzehntelangen Verstetigung der gesamtgesellschaftlichen Abhängigkeit von wirtschaftlicher Prosperität verstehen sich die entscheidungsmächtigen Politikerinnen und Politiker unlängst als Verwalterinnen und Verwalter dieses Status quo. So ist es zwar erschreckend, aber dennoch nicht verwunderlich, dass sich der unbedingte Wille zum Verwalten des uns so unliebsamen Status quo auch in den Maßnahmen zum Umgang mit der lebensbedrohlichen Viruspandemie spiegeln. Im Produkt der Auseinandersetzung zwischen dem ethisch-gebotenen, unbedingten Schutz der menschlichen Gesundheit und der systembedingten Wahrung ökonomischer Stabilität steht auch die gesellschaftliche Linke vor großen strategischen Herausforderungen.
Wir wissen längst, dass sich in etwa alle 25 Jahre eine Pandemie ausbreitet und circa alle 100 Jahre eine weltweite Ausbreitung von Fehlentwicklungen, durch Art und Weise des Raubbaus an der Natur oder der Ernährungsweise des Menschen sich Bahn sucht.
Unsere Vorschläge für Wege aus der Misere sind vielfältig und plural wie wir selbst. Gut so. Wir sollten nur damit aufpassen, für die aktuell notwendige Linderung der Akutsymptome auf alte Medikamente zu setzen.
Ungleichheit und Solidarität
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Behauptung, nach der wir alle vor dem Virus gleich sind, falsch ist. Menschen aus ärmeren Wohnorten haben sich während der ersten Erkrankungswelle häufiger infiziert und das Sterberisiko auf Intensivstation war laut einer britischen Studie doppelt so hoch wie in den reicheren Gegenden. Forscherinnen und Forscher vermuten, dass beengte Wohnverhältnisse es erschweren, die notwendige Distanz zu potenziell erkrankten Menschen zu wahren. Zudem würden Menschen aus ärmeren Gegenden häufiger öffentliche Verkehrsmittel nutzen und sie könnten sich seltener ins Home-Office zurückziehen, weil sie öfter manuellen Arbeiten nachgehen. Selbst innerhalb westlicher Länder herrscht also alles andere als Gleichheit vor dem Virus. Und es gibt selbstverständlich viele lohnabhängige Beschäftigte, die gegenüber im Home-Office arbeitenden Menschen einem ungleich höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Eine Aufzählung der Berufsgruppen, die unseren Dank verdienen, weil sie trotz der pandemiebedingten Grenzerfahrungen -mitverschuldet durch den jahrelangen Aberglauben an das Heil schwarzer Nullen- nicht darin nachlassen, den Laden hier am Laufen zu halten, erübrigt sich.
Es ist ein ehrbares Unterfangen, an der Seite dieser Beschäftigten für langfristig verbindliche Arbeitsschutzregeln einzustehen. (Wer hohe Infektionszahlen zur bestmöglichen Wahrung wirtschaftlicher Prosperität insgesamt in Kauf nimmt, sollte auch ein großes Interesse daran haben.) Doch wer sich ernsthaft um die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den (Hoch-)Risikoberufen sorgt, darf in einer Viruspandemie nicht die Augen davor verschließen, dass das Einzige, was wirklich hilft, die Reduzierung der Infektionszahlen insgesamt ist. Selbstverständlich ist es wünschenswert, wenn sich gerade auch Personen außerhalb des linken Spektrums spätestens jetzt darüber Gedanken machen, wie wir insbesondere das öffentliche Gesundheitswesen in Zukunft organisieren wollen. Es ist gegenüber den heute Beschäftigten jedoch alles andere als verantwortbar, in der jetzigen Situation auf notwendige Reformen wie Arbeitszeitverkürzungen zu pochen, anstatt sich zunächst der im Hier und Jetzt erforderlichen Anstrengung nach einer radikalen Reduzierung der Neuinfektionszahl anzuschließen. Im Hinblick auf die bevorstehende Dritte Welle der Pandemie durch dreifach infektiösere Virusmutationen reicht das Einstehen für verbindliche Arbeitsschutzregeln schlichtweg nicht aus, um den bestmöglichen Schutz der Gesundheit der Beschäftigten sicherzustellen.
Kollektiv trotz Shutdown
Die Tarifabschlüsse im vergangenen Herbst haben gezeigt, dass über die Akutsituation hinausgehende substanzielle Verbesserung auch unter Pandemiebedingungen möglich sind. Doch gerade in den Krankenhäusern sehen wir nach wie vor, dass der Unwille der Politik zur radikalen Bekämpfung des Pandemiegeschehens dazu führt, dass den hier arbeitenden Menschen kaum noch Luft zum Atmen, geschweige denn für Klassenkämpfe übrigbleibt. Wer es den hier Beschäftigten ermöglichen möchte, die Eindrücke der vergangenen Monate in politisch notwendige Forderungen zu transformieren, der muss dafür sorgen, dass sie schlichtweg weniger arbeiten müssen. Es ist nicht der Shutdown, der die bestehenden Spaltungen in der Klasse der abhängig Beschäftigten konsolidiert und gemeinsames Klassenhandeln verhindert. Wie zu erkennen ist, ist es die politische Ausgestaltung des strategielosen Herunterfahrens, den auf den Stationen und in den Heimen ausgebadet werden muss. Weniger Arbeit für die Pflegenden ist nur mit weniger krankenhauspflichtigen Patientinnen únd Patienten möglich. Somit ist die akute Handlungsfähigkeit der Linken an der Seite des Pflegepersonals damit gegeben, sich den Bestrebungen zur radikalen Reduzierung der Infektionszahlen anzuschließen. Wenn wir dafür einstehen, dass jetzt wieder wie im Frühjahr 2020, gelockert wird, leisten wir den Beschäftigten kurz- wie langfristig nicht mehr oder weniger als einen Bärendienst.
Verteidigung der Grundrechte von links
Wer sich für Öffnungen ausspricht, muss auch damit leben, dass Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten dem am Limit arbeitenden Personal in den Altenheimen und Gesundheitsämtern aushelfen (müssen). Die Anwesenheit der Uniformierten löst im Gleichschritt mit dem für die Kontrolle der pandemischen Lage zwingend notwendigen Verzicht auf wesentliche Grundrechte eine Angst vor einer dauerhaft autoritären Staatsform aus. Einer demokratisch-sozialistischen Partei wie der unseren sollte es im Selbstverständnis liegen, in einer solchen Situation ein Mehr an parlamentarischer Beteiligung einzufordern. Nicht zuletzt das Vertrauen der Bevölkerung in die weitreichenden Maßnahmen hängt vom Ausmaß der legislativen Beteiligung ab. Anstatt die Angst vieler Menschen zu katalysieren, muss es im Anblick kommender Herausforderungen unser Auftrag sein, entschieden mehr parlamentarische Beteiligung einzufordern, ein wachsames Auge auf potenzielle Verstetigungen zu haben und gleichzeitig den Regierenden die Legitimität vieler ihrer exekutiv beschlossenen Maßnahmen durch Reduktion der Infektionszahlen zu entziehen.
Ethisch in die neue Normalität
100 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen sind vom Zusammenprall zwischen Virus und Kapitalismus, der Pandemie und ihrer Bekämpfung betroffen. Der einzig ethisch-moralisch gangbare Weg in dieser Viruspandemie ist die radikale Reduktion der Infektionszahlen. Wir müssen uns stets vor Augen halten, dass der drohende Kollaps des Gesundheitswesens nicht nur die Älteren und Schwachen treffen würde. Wer das bereits im Vorfeld entstehende Leid, welches wir seit dem Herbst 2020 in täglicher Folge erleben, mittlerweile bereit ist, in Kauf zu nehmen, muss sich an diesem Punkt darüber im Klaren sein, dass ein kollabiertes Gesundheitswesen auch für alle anderen Behandlungsgründe keine Kapazitäten zur Verfügung hat. Sich im Angesicht dieser Misere keine Handlungsfähigkeit zu attestieren, wenn wissenschaftliche Maßnahmen zur ethisch gebotenen und pragmatisch notwendigen Unterbrechung des Infektionsgeschehens vorliegen, wird dem Anspruch der Linken nicht gerecht. Es ist richtig und wichtig, dass wir auch in diesen Tagen nicht von der Seite der Beschäftigten, Eltern, Kulturschaffenden und Erwerbslosen weichen. Es ist richtig, dass eine jahrzehntelange Fehlpolitik im Geiste des Neoliberalismus einige Bereiche unserer Gesellschaft an krisenbedingte Grenzerfahrungen geführt hat. Und es ist umso wichtiger, dass wir nicht darin müde werden, diesen fortwährenden Missstand Paroli zu bieten. Die bisherige Strategie der Bundes- und Landesregierungen hat das Schlechteste aus zwei Welten verkörpert. Wir können uns keinem Weiter-so anschließen. Die aktive Beteiligung an der akuten Symptomlinderung ist die zwingend notwendige Voraussetzung, damit wir auch in Zukunft die Ressourcen haben, für die Genesung der viel tiefer liegenden Krankheit unserer Gesellschaft zu streiten. Es geht um die radikale Reduzierung der Fallzahlen, damit die Pandemie wieder kontrollierbar wird und wir möglichst schnell zu einem weitestgehend erträglichen Leben zurückkehren können. Wir müssen also raus aus dem Lockdown-Jojo und rein in eine nachhaltige und solidarische Bekämpfung der Pandemie.
Der Autor ist Mitinitiator der Europäischen Bürgerinitiative „Right2Cure“. Diese will sicherzustellen, dass die Europäische Kommission alles in ihrer Macht Stehende tut, um Impfstoffe und Behandlungen zur Bekämpfung der Pandemie zu einem globalen öffentlichen Gut zu machen, das für jeden frei zugänglich ist.
Sascha H. Wagner im Interview bei "Spitzenschneiden"
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In dem Podcast-Format der neuen Folge #spitzenschneiden wurde mit Sascha H. Wagner über die Europäische Bürgerinitiative Right to Cure - European Citizens' Initiative, welche die Corona-Impfstoffpatente freigeben möchte, gesprochen.
Europäische Initiative will in Pandemie Grundrecht auf Gesundheit stärken. Ein Gespräch mit Sascha H. Wagner Interview: Franziska Lindner
Sie sind für Deutschland der Organisator einer Europäischen Bürgerinitiative, EBI, zum Recht auf Behandlung gegen Covid-19. Was ist der Zweck der Initiative?
Sie hat sich mehrere Punkte vorgenommen. Zunächst müssen wir feststellen, dass wir alle ein umfassendes Recht auf Gesundheit haben. In einer Pandemie sollten Forschung und Technologien auf einer breiten Ebene schnell und weltweit miteinander geteilt werden. Es kann nicht sein, dass ein privates Unternehmen die Macht hat, zu entscheiden, wer Zugang zu Behandlungen oder Impfstoffen hat und zu welchem Preis. Außerdem brauchen wir mehr Transparenz in den Abwicklungsverfahren. Wenn öffentliches Geld verwendet wird, haben Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, zu erfahren, wie die Verfahren abgelaufen sind.
Das Geschäftsmodell der Pharmaindustrie basiert auf Rechten geistigen Eigentums. Politiker und Vertreter der Konzerne betonen, dass Patente die Qualität der Impfstoffversorgung fördern.
Dem widerspreche ich entschieden! Patente geben einem einzigen Unternehmen die Monopolkontrolle über wesentliche pharmazeutische Produkte. Dies begrenzt ihre Verfügbarkeit und erhöht die Kosten für diejenigen, die sie brauchen. Große Pharmaunternehmen sollten nicht auf Kosten der Gesundheit der Menschen von dieser Pandemie profitieren. Eine kollektive Bedrohung erfordert Solidarität, nicht private Geschäftemacherei. Öffentliche Mittel sollten immer mit Garantien für Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit der dadurch erzielten Ergebnisse verbunden sein.
Der fehlende Zugang zu Arzneimitteln ist in bezug auf viele Erkrankungen, darunter armutsassoziierte wie Malaria, Tuberkulose und HIV weltweit ein enormes Problem. Warum geht es bei der Initiative ausschließlich um Produkte gegen Covid-19?
Die Pandemie ist ja nun auch nach einem Jahr leider immer noch tagesaktuell und eine der größten Bedrohungen weltweit. Die Frage der gerechten Medikamentenversorgung spielt natürlich nicht nur im Zusammenhang mit Covid-19 eine entscheidende Rolle. Aber um so wichtiger ist es, auf die konkreten Herausforderungen im Jetzt zu reagieren oder besser zu agieren. Die bürokratischen Hürden in der EU sind ausgesprochen hoch. Allein in der BRD müssen wir rund 70.000 Unterschriften sammeln. Dies könnte ein Anfang sein, um die Gerechtigkeitsfrage in der Medikamentenversorgung grundlegend auf den Kopf zu stellen.
Die EU-Kommission hält stark am Patentsystem fest. Was erwarten Sie, sollte Ihre EBI erfolgreich sein?
Der Coronaausbruch ist zwar eine neue Herausforderung, jedoch auch die Folge einer lang bestehenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise. Eine erfolgversprechende Abschätzung und Bekämpfung der komplexen Folgen der Pandemie erfordert daher ein breit angelegtes Vorgehen, das neben medizinischen vor allem politische, psychologische, ökonomische, gesellschafts- und gesundheitswissenschaftliche sowie entwicklungspolitische Aspekte umfassen muss.
Dies gilt um so mehr, wenn man die hierzulande noch immer wenig wahrgenommenen Folgen für den globalen Süden berücksichtigt. Dieser lässt sich längst nicht mehr geographisch eingrenzen: Er reicht von den Flüchtlingslagern über städtische Armenviertel auf der ganzen Welt bis zu gesamten Ländern. Hier haben die wohlhabenden Staaten eine besondere Verantwortung, gerade die in der EU. Und hier muss es den Druck geben, die Verhältnisse zu ändern. Ein wichtiger Beitrag ist es daher unbedingt, für die internationale Bürgerinitiative online zu unterschreiben!
Hier findet ihr Infos darüber, wie ein Schwangerschaftsabbruch abläuft und in welchen Praxen ihr diesen Eingriff vornehmen lassen könnt.
Als LINKE stehen wir hinter dem Engagement der Ärztin Kristina Hänel und finden: sachliche Information über medizinische Eingriffe muss doch grade vonseiten des Fachpersonal zugänglich gemacht werden – ohne dass Ärzt:innen dafür belangt werden können!
Es ist falsch, dass die rechtliche Grundlage für Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch zu finden ist. Es ist falsch, dass körperliche Selbstbestimmung von Frauen in Deutschland eine Straftat ist, auch wenn sie in der Regel straffrei bleibt. Es ist falsch, dass das Recht auf körperliche Selbstbestimmung von Frauen eingeschränkt wird, indem sichere Informationen vorenthalten werden.
Aus diesen Gründen findet ihr hier die Informationen, die Kristina Hänel zusammengestellt hat, um über den Ablauf eines Schwangerschaftsabbruchs zu informieren und zusätzlich den Link zur offiziellen Liste der Kliniken und Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland durchführen. Sachliche und fachlich gute Informationen müssen zugänglich bleiben. Und wenn es Kristina Hänel nicht mehr veröffentlichen darf, dann tue ich das eben.
Herzlich Willkommen,
Hier informiere ich über meine Tätigkeiten als Landessprecher der Partei DIE LINKE. Nordrhein-Westfalen, sowie als Kreissprecher DIE LINKE. Kreisverband Wesel und als Kreistagsmitglied DIE LINKE. im Kreistag Wesel.
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